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Es klopfte, Pennau trat herein, „Lerr Doktor," meldete er, „außen
bords hat eben ein Schute festgemacht, auf der ein mächtiges Rohr liegt.
Der Ewerführer sagt, er käme von Blohm und Voß und soll das Rohr
hier an Bord abliefern. Ist das richtig?"
„Ja, das ist richtig!" lachte Justus. „Kommen Sie, meine Lerren, wir
wollen das Angetüm ansehen."
Auf dem Deck war alles anwesend. Eiscnbarth wurde von Iahn, der
jetzt Erster geworden war, sowie von der ihm bekannten alten Mannschaft,
besonders vom Obermaat, dem Iungmatrosen Zamphiropolos und sogar
vom Koch Franz Roth freundlich begrüßt, dann stellte Justus ihm die
beiden neuen Steuerleute, Nielsen und Berns, sowie den zweiten Maschi
nisten, Mühlenstedt, vor. Eisenbartl) fiel das Interesse auf, mit dem sich
verständnisvoll zublinzelnd, alle den Riesenzylinder betrachteten, auch von
andern Schiffen aus wurde dieser neugierig beäugt, verschiedentlich sogar
mit Fernrohren. Justus, der diese allgemeine auf sein Schiff gerichtete
Aufmerksamkeit ebenfalls bemerkte, sagte in lachend ärgerlichem Tone: „Da
haben wir's! Rings herum am Hamburger Lasen, in den Matrosenkneipen,
bei den Leuerbasen, wie gesagt, überall spukt das Gerücht, ich hätte das
auf der Löhe der Kanarischen Inseln gesunkene Goldschiff, das Francisco
Pizarro im Jahre 1533, nachdem er Peru erobert und ausgeraubt hatte,
nach Spanien sandte, aufgefunden, wenigstens eine rießengroße, goldgefüllte
Kiste davon. Mehrere Zentner Gold hätte ich schon mitgebracht, und jetzt
führen wir hin, um mehr zu holen, wozu ich, wie die Leute nicht unrichtig
inutmaßen, die große Röhre benutzen will. Es liegt doch im absurdesten
Gerücht immer ein Körnchen Wahrheit."
„Das ist aber toll!" rief Eisenbarth, „wie kommen die Leute nur
auf solche Ideen? And wie haben Sie das erfahren?"
„Natürlich hat die Mannschaft ihre rege Schifferphantasie fleißig
spielen, hat hier und da einen Brocken geheimnisvoll fallen lassen, und so
ist's denn bald am Lasen herumgekommen. Kapitän Pennau erzählte mir
davon. Eine Menge verwegener Gesellen wollten sich anheuern lassen, als
bekannt wurde, daß wir für die Lammonia Offiziere und Mannschaften
suchten. Er hat indessen nur solche mit besten Papieren genommen, trotz
dem sagen mir die neuen Leute nicht recht zu."
Während dieses Zwiegesprächs wurden die Vorbereitungen getroffen,
den Zylinder an Bord zu holen, das mittels eines mächtigen Flaschen
zuges, der aln Ende des schräg nach oben gestellten Segelbaumes befestigt
war, geschah. Da die Lammonia erst morgen nachmittag mit eintretender
Ebbe in See gehen sollte und die Kessel zwar schon angeheizt waren, aber
noch keinen Dampfdruck zeigten, mußte das Leben des ziemlich schweren
Gegenstandes mit Lilfe der Matrosen bewerkstelligt werden. Nach kurzer
Arbeit konnte man den improvisierten Krähn bereits nach Innen schwenken
und den Zylinder mitschiffs niederlassen, wo er als Deckladung verstaut
wurde. Justus hatte ihn gestern auf der Werft von Blohm und Voß an
gesehen und vollkommen seinen Angaben gemäß ausgeführt vorgefunden.
Der Pneumatikreifen war noch schlaff, er sollte erst an Ort und Stelle
mit der dazugehörigen Luftpumpe gefüllt werden.
Am andern Tage gegen acht Ahr früh saßen die Lerren auf dem