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lung beweist das Hobe Alter der Thiermärchen in Indien, und Ba-
brius der aus mündlicher Sage schöpfte, überliefert die griechische,
die wir sonst nur aus den trockenen Auszügen bei Äsop und in der
wenig belebten Darstellung bei Phadrus und A^ianus kannten, noch
in warmer Auffassung. Vielleicht haben die Skandinavier bei ihrer
Einwanderung schon die Thiersage mitgebracht, sollte sie auch nicht
ganz erloschen sein, so haben wir doch keine Kenntnis davon, nur
das Märchen von dem Bär und Fuchs (Asbjörnsen Juleträet S. 54)
ist anzuführen. Bei andern Völkern sind Gründe vorhanden, die
uns berechtigen auf ein früheres Dasein zurückzuschließen, oder es zei
gen sich einzelne Spuren, gleichsam die letzten Blätter eines abster
benden Baums. Wenn in dem altindischen und tibetischen Epos, bei
den Nordamerikanern, Finnen, Gälen, Persern , Slaven und Ro
manen häufig genug Thiere in die Schicksale derMen'chen verflochten
werden, oder gute und böse Götter in Thiergestalt ihre Macht aus
üben (als eins der schönsten Beispiele habe ich oben aus Mahabharata
das Märchen von der Taube und dem Habicht angeführt), so wird
doch nicht das abgesonderte, von den Menschen unabhängige Leben
der Thiere dargestellt: darin aber liegt der Grundgedanke, der als das
ursprüngliche auch bei den Betschuanen und den Negern zu Bornu
zum Vorschein kommt. In dem Märchen eines Kosacken finde ich
ihn so wenig als in den Thierfabeln des Mahabharata (Holzmann 1,
81. 2, 168), die nur eine sittliche Betrachtung geltend machen wollen.
In diesen Dichtungen wird den Thieren der geordnete Zustand
eines staatlichen Lebens beigelegt. Ein König herrscht über sie und
fordert unbedingten Gehorsam: es gilt ein herkömmliches Gesetz,
dem sich alle unterwerfen. Sie haben Anführer, vereinigen sich in
Schaaren die gegen einander ausziehen und sich bekriegen. Uber
Treue und Redlichkeit erhebt sich Bosheit und List, bei deren Vertre
tung der Fuchs seine ausgezeichnete Begabung an den Tag legt. Rohe
Gewalt hilft nicht immer, der kleine Zaunkönig weiß über den mäch
tigen Adler wie über den unbeholfenen Bären den Sieg zu erlangen.
Durch die Sprache die ihnen verliehen ist und sie höherer Gedanken
theilhaftig macht, werden sie dem Menschen fast gleichgestellt, der ihnen
gegenüber manchmal feindselig auftritt und gerade nicht in gutem
Licht erscheint, aber auch oft den Kürzern zieht. Der schwache Sper
ling weiß den ihm befreundeten Hund an dem unbarmherzigen Fuhr
mann zu rächen, den er völlig ins Verderben lockt. Dann aber zeigen