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gibt Märchen die ausschließlich von solchen erzählen, die in ihrer
Kunst den letzten Grab erreicht haben, und darin stimmen indische,
deutsche, nordische und italienische Überlieferungen zusammen.
Endlich der Bruder Lustig ober der Spielhansel der sich um
nichts kümmert als um ein fröhliches Leben, und den Unterschied zwi
schen Recht und Unrecht zu beachten selten ausgelegt scheint. Da er
aber von Natur nicht bösartig ist und eine solche Stimmung sich ohne
Humor nicht durchsetzen laßt, so geht ihm manches hin, was bei an
dern für unerlaubt gilt, me Shakespear seinen Falstaff, der nur in
diesem Wasser schwimmen kann, sogar liebenswürdig zu machen ge
wußt hat. Die Märchen stellen ibn meist dar, wie er mit dem Herrn
oder dem Apostel Petrus, die auf Erden wandeln, zusammen kommt.
Der Herr will bei ibm Herbergen, und der Bruder Lustig ist bereit das
letzte mit ihm zu theilen, veruntreut aber gleich in, Spiel den Groschen,
der ihm gegeben war einen Trunk tu holen. Dem Apostel, der ihn
in der Gestalt eines Armen run ein Almosen anspricht, reicht er seinen
letzten Heller, und als dieser, weil er glaubt einen Frommen gefunden
zu haben, mit ihm zieht, betrügt er ihn alsbald um das Herz des ge
bratenen Lämmchens und äußert seinen Verdruß daß jemand, dem
so große Macht zu Gebote stehe, nicht mehr Geld zu gewinnen suche.
Als Bärenhäuter dient er dem Teufet, wird aber aus der Hölle wieder
fort geschickt. Den Tod bat er lange zum Narren, als er endlich ge
nöthigt ist ihm zu folgen, wollen weder Himmel noch Hölle ihn ein
lasset,, bis er durch eine Lift sich Eingängen jenen verschafft.
Gemeinsam allen Märchen sind die Überreste eines in die älteste
Zeit hinauf reichenden Glaubens, der sich in bildlicher Auffassung
übersinnlicher Dinge ausspricht. Dies Mythische gleicht kleinen
Stückchen eines zersprungenen Edelsteins, die aus dem von Gras und
Blumes überwachsenen Boden zerstreut liegen und nur von dem schär
fer blickendet, Auge entdeckt werden. Die Bedeutung davon ist längst
verloren, aber sie wird noch empfunden, und gibt dem Märchen seinen
Gehalt, während es zugleich die natürliche Lust an dem Wunderbaren
befriedigt; niemals sind sie bloßes Farbenspiel gehaltloser Phantasie.
Das Mythische dehnt sich aus je weiter wir zurück gehen, ja es scheint
den einzigen Inhalt der ältesten Dichtung ausgemacht zu haben. Wir
sehen wie diese, getragen von der Erhabenheit ihres Gegenstandes
und unbesorgt um Einklang mit der Wirklichkeit, wenn sie die geheim
nisreichen und furchtbaren Naturkrafte schildert, auch das Unglaub-
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