Full text: Kinder- und Hausmärchen (3)

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Wasser vorschütten'. Aber sie gießt und kann nicht aufhören, der 
Eimer wird nicht leer, und fie muß den langen Tag ewig Wasser 
gießen bis Sonnenuntergang, so daß die ganze Gegend über 
schwemmt wird und die Nachbarn spöttisch den Schaden vergütet 
haben wollen. In der Frau Naubert Volksmärchen 1, 201—209 
wird diese chinesische Erzählung schön ausgeführt und dem segens 
reichen Leinwandmessen ein unseliger SvinnenwebwachSthum entgegen 
gestellt. Ähnliches kommt in einem Märchen vor, das wir in Hessen 
gehört haben. Ein wandernder Handwerksbursch wird von einer 
reichen Frau , die er um eine Gabe anspricht, abgewiesen und aus 
Spott zu einer armen Nachbarin geschickt. Diese nimmt ihn auf 
und wird bei der Abreise von ihm damit begabt daß ihr erstes Be 
ginnen gedeihen solle, so lange sie nicht darin gestört werde. Die 
Arme mißt Leinwand und mißt immer zu, bis endlich die reiche 
Nachbarin zur Stube hineinschaut und die Menge Leinwand erblickt; 
da hört der Segen auf. Sie erfährt die Ursache und „bittet ihr den 
Handwerksgesellen zuzuweisen, wenn er wiederkehre. Über ein Jahr 
kommt der Wanderer wieder in das Dorf und kehrt bei der Armen ein, 
die ihn zwar gern aufnehmen will, aber ihm sagt daß ihre reiche 
Nachbarin ihn beherbergen wolle, bei der er auch sich besser befinden 
werte. Er gebt hin und wird übersorgfältig behandelt. Die Frau 
sucht das feinste Leinen aus, um es gleich zur Hand ztl haben. Sie 
wird bei der Abreise von dem Wanderer ebenso wie die Arme begabt. 
Voll Begierde und um ungestört messen zu können, schließt sie die 
Hausthüre ab, und begibt sich zuvor eilig auf den Abtritt. Hier aber 
muß sie sitzen bleiben und kann nicht aufhören, der Koth häuft sich 
auf, sie weiß sich nicht zu retten und schreit in der Noth so laut um 
Hilfe, daß es endlich die arme Nachbarin hört, zum Fenster ein 
steigt und zu ihr kommt. worauf ein Stillstand eintritt. Hier ist 
auch eine äsopische Fabel (im zweiten Anhang zu Phätrus Nr. 111), 
Mercurius et mulieres, zu erwähnen. ^ 
Die Sage überhaupt gehört in den Kreis jener von dem Wan 
dern und Reisen der Götter und Heiligen auf Erden. Wo sie gehen, 
entspringt den Guten und Reinen Heil, den Bösen, Geizigen, Häß 
lichen Verderben: das Glück das jenen zu Theil geworden, erbitten 
sich diese plump zu ihrem Unglück; damit prüfen die Götter zugleich 
das Menschengeschlecht (vergl. altd. Wälder 2, 23 Anm. 60. Odyssee 
17, 488 und das eddische Lied von Rigr). So gehört auch das
	        
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