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geschäft und hatte sogar das große Kunststück fertig gebracht, ihn, nach
dem sie ihm nachts sein halbmeterlauges Haupthaar abgeschnitten hatte,
binnen kurzem wieder zu versöhnen. Am Obstverkauf beteiligte er sich
freilich so gut wie gar nicht, sondern lag tagein tagaus in seinem Luft
bade, sonnte sich, aß Früchte und hielt, wenn ihn die Freunde besuchten,
zitatengespickte Prophetenredeu.
Otto Schönkerl war auf seines Baters Befehl ins Heer eingetreten,
um seiner Militärpflicht Genüge zu tun, während Konrad Fei immer
noch auf Ilse, seine Untersuchungshaft und die Geldstrafe schimpfte, im
übrigen aber besonders unter dem zunehmenden Einfluß Emma Strabens,
der er sogar seinen Kanarienvogel geschenkt hatte, soweit zahm geworden
war, daß er sich mit Eifer befliß zu stndieren, um Zeichenlehrer zu
werden und daun Emma heimzuführen.
Carlo Schengle schrieb aus München mehrmals an die Freunde,
wo er Geldmangels wegen Halt gemacht hatte. Zuerst lobte er in
geradezu dichterischem Schwünge das köstliche bayerische Bier, wogegen
selbst das Morthüuser Bärenbier der wahre Fusel sei, er könne vom
bayerischen Biere täglich über dreißig Schoppen trinken und werde da
durch nur immer stärker und leistungsfähiger. Später freilich teilte er
ärgerlich mit, daß die Münchener Luft seinem Magen gar nicht bekomme,
weshalb ihm der Arzt geraten habe, täglich nur zwanzig Schoppen zu
trinken — das solle ein Künstler aushalten?!
Heinrich Schnörkeweier wurde voit der Anklage wegen des Geldes
freigesprochen, aber wegen der Aneignung der Turmkapsel und -Doku
mente zu einer Woche Haft verurteilt, wogegen er sofort Berufung
einlegte.
Der ehemalige Kammermusikus und Hausmarschall Knittel hatte
gegen Seine Gnaden eine Klag? um Schadenersatz angestrengt, weil der
Graf ihn ohne Kündigung entlassen hatte. Jrn Vertraneu auf seinen
prozessualen Sieg und aus Gram über das böswillige Verlassen seines
Herrn und seines „Patchens", verschleuderte er sein Geld für Essen,
Trinken und Spielen, ging keinen Tag vor fünf Uhr früh zu Bett
und vertrank auch noch das Geld, das ihm die Baronin geschenkt hatte,
ohne nur nach der Tochter zu forschen, da er das Auffinden derselben
für unmöglich hielt. Nun kam gar noch aus Afrika die Mitteilung,
daß Kurt Gron und Amalie, die sich unterwegs hatten trauen lassen,
wohlbehalten in Dar es salaam angekommen und sehr glücklich unter den
Palmen seien. Da lebte der alte Mann nur immer wüster, bis er
zusammenbrach und aufs Krankenlager sank.
Der Arzt glaubte nicht an sein Aufkommen, forderte aber einen
Diener für den Kranken. Knittel bat Frau Jamm, sie möchte ihm
Bona als Pflegerin senden.
Es geschah, und wirklich übte Bona auf sein jähes Gemüt einen
besänftigenden Einfluß aus, indem sie ihm stündlich auf dem Verophou,
das er sie spielen gelernt hatte, seine Lieblingslieder vortrug und dazu
mit glockenreiner Heller Stimme sang.
Oft besuchte Ernst den ausgedienten Hausmarschall nur, um Bonas
Spiel und Gesang zu lauschen.
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