Full text: Die Flucht im Automobil nach Italien und Deutschostafrika

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Höre!: 
Sie braut den allerstärksten Trank, 
Macht den gesund und jenen krank, 
Sie ist die Ungebündigtste, 
Sie bleibt die Unbeständigtste, 
Zerrt den durch Schmutz im Schlamm lind Moor, 
Trägt jenen hoch in Licht empor, 
Blendet diesen, stürzt den vierten, 
Führt in Irr, hilft den Verirrten, 
Streichelt, 
Schmeichelt, 
Peinigt, 
Steinigt, 
Zieht ins Wasser, zum Bier und Wein, 
's kann keine mächtigere Fürstin sein. 
Nun? llnd: 
Bald fein, bald grob, bald ernst, bald flott, 
Bald sanft, bald weich, bald stolz, bald Spott, 
Bald klein, bald groß, bald schmal, bald breit, 
Bald schwungvoll, bald voll Traurigkeit, 
Meist wächst von selbst er überm Tor, 
Ost lockt man mühsam ihn hervor, 
Verpflanzen läßt er sich im Spiel, 
Man liebt ihn heiß, man pflegt ihn viel, 
Drum er meist in die Höhe strebt; 
Wenn er nicht darüber schwebt, 
Schmeckt das Schönste nicht gut noch schlecht 
Wie ungesalzener Hecht. 
Somit Schluß für heute. Ernst. Nun lös die Knoten bald!" 
Die Theodoren. 
Heinrich malte die »och schöne Baronin und deren liebreizende 
Tochter auf eine Leinwand. Ernst saß abseits und las den beiden 
Theodoren auf ihren Wunsch aus Goethes italienischer Reise vor. Er 
hatte nicht vergessen, was Knittel ihm vor Wochen im Bärenkeller unter 
dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt hatte, konnte jedoch beim 
besten Willen die übergroße Oberlippe nur an der Mutter Theodora 
bemerken. 
Knittel war vor zwei Stunden aufs Schloß gekommen und suchte 
sein „Patchen" Amalie durchaus wieder zu gewinnen. Gegen die Baronin, 
seine de:einstige Geliebte, hatte er sich sehr fremd und förmlich benommen 
in den wenigen Minuten, wo er sie §u sehen bekam. 
Jetzt erhob sie sich plötzlich, betrachtete das halbvollendete Oel- 
gemälde und sagte zu Heinrich: „Morgen sitz ich Ihnen zum letzten 
Male, Herr Schnörkeweier!" Darauf verlies sie den zum Atelier um 
gewandelten Raum und befahl ihrer Kammerzofe, Knittel in ihren 
Empfangssalon zu führen.
	        
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