Full text: Die Flucht im Automobil nach Italien und Deutschostafrika

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nachten sich zu Philipp Ol auf, der war aber nicht zu sprechen, auch 
machmittags nicht. Man beschloß, ihn beim Fest im Katzenschlosse zur 
Rede zu stellen. 
Des Kostümfefts zweite flacht. 
Wer zum Feste nicht kam, war Philipp Ol. Carlo hatte feine 
Frau auch daheimgelassen und hielt sich an Knittels Seite heute abend 
besonders an den Wein und nicht an die Menschen. Amalie tanzte 
viel mit Kurt. Daß war Knitteln, der sich am Tage vorher müde ge- [ 
tanzt hatte, keineswegs lieb, da er selbst aber keine Lust zum Tanzen 
hatte und seinen Aerger nicht zeigen wollte, trank er mit Carlo nur 
desto mehr. Kaspar erschien nicht, Frau Jamm hatte Kätchen zurück 
gehalten und statt ihrer Bona durch Ernst zum Fest führen lassen 
Bona wußte, daß Ernst über die Verlobung des Fräuleins von Dasdorff- 
traurig war und heiterte ihn nicht durch ausgelassene Späße, sondern 
durch ihr sonniges Wesen und durch ihre ruhige Gegenwart auf. Sie 
hatte ein köstliches Rokokokostümchen angezogen und glich wahrhaftig 
einer echten jungen Rokokogräsin. 
Warum Heinrich nicht kam, wußte man nicht; Paul blieb natürlich 
seiner zwei kranken Augen wegen aus. 
Dafür kam Otto, kleidete sich als schmucker Oberförster und gesellte 
sich zu^Jettes stämmiger Schwester Christophine. 
Jettes Wilhelm hatte einen anderen Gefreiten und deren Braut 
mitgebracht, und die beiden derben Bauernsöhne, die im zweiten Jahre 
ihres militärischen Dienstes standen, zogen natürlich beide große Generals 
uniformen an. 
Das Fest ließ sich diesmal besonders schön an, einen Mißklang 
brachte nur der Bericht über Ols Betrügereien und das vergebliche 
Warten auf das Eintreffen des Verbrechers, der natürlich gehörig zur 
Rede gestellt und hinausgeworfen werden sollte. 
Es mochte so etwa gegen halb Zehn sein, als vorn die Haustür 
klingel gezogen wi^rde. Die Gesellschaft glaubte anfangs, irgend einer 
der nicht anwesenden Freunde schelle. Jette ging aber doch der Vorsicht 
halber in eine Vorderstube und öffnete ein Fenster. 
Händeringend, mit dem Ausdruck des Entsetzens kam sie zurück und 
konnte nur noch'zu Ilse sagen: „Die Gnädige!" 
Ilse konnte es nicht glauben und ging selbst ans Fenster. Wahr 
haftig! Da hielt das Automobil, mit dem sie weggefahren war, das 5 
schnaufte, und der Chauffeur saß auf dem Bocke. Vor ihrer Haustür 
aber stand leibhaftig die alte Oberlandesgerichtspräsidentenwitwe Freifrau 
von Linbül! Was tun? Jette saß da wie gelähmt und konnte kein 
Glied rühren. Ilse schlug vor, alle Lichter zu löschen, die Alte werde 
dann sogleich hinauf in ihr Schlafzimmer gehen. 
Gesagt, getan! Inzwischen schellte die Klingel immerzu. Im Stock- 
rabendüstern erwarteten die Festgäste, daß die Alte hinaufgehen werde. 
Ilse öffnete der Tiefverschleierten, die in einem ganz neuen und doch 
altmodischem Kostüme eintrat, kein Wort sprach, auf Ilses Frage, ob
	        
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