Full text: Kultur der Geselligkeit; Intimes Musizieren; Ausklang; Harry de Garmo in memoriam (Band 3, Teil 2)

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Wio plastisch und in wie viel anschaulicherer wie wirkungsvollerer Form 
hat Goethe die Plotin'sehen ^«danken ausgesprochen . 
Tom himmlischen Hauche angeweht hat Goethe es stets verstanden ,leben 
spendendes licht in viele Seelen zu bringen ,die verirrt in der Finster 
nis des Zweifels wandeln »ja ,in diesem Sinne war auch er ein Lichtbrin- 
g**’) ohne es indes mit dem Nietzsche *sEhen Pathos »das 30 leicht zur 
uberhebung und Maßlosigkeit neigt »ausgesprochen zu haben. Aber nicht 
nur hierin bestand seine Sendung . Furch sein Öeisniel wie durch seine 
Werke lehrte er uns auch,wie man zur harmonischen 8®staltung seines Le 
bens gelangt . ” Erst müssen wir - wie Goethe sich einmal zu Falk äuaser- 
te - im Einklang mit uns selbst sein »ehe wir Disharmonien »die von aus^e 
sen auf uns eindringen »wo nicht zu heben »doch wenigstens einigermaßen 
auszugleichen imstande sind • M 
Deshalb habe ich in Goethe zu allen Zeiten nicht nur unseren grössten 
Dichter Widder* unvergleichlichen Künstler,sondern auch den vorbildli 
chen Weisen verehrt »der sich selbst und sein Leben zu einem wahren Kunst 
vyerk gestaltet hat,das in mir. immer wieder die Sehnsucht nach ihm und 
die Liebe zu ihm wachrief „Welchen ungeheuren Schatz sn abgeklärter Al- 
teröweisheit bergen nicht allein seine bespräche mit Eckermann« Das Ge- , 
heimnis seines Menschentums geht einem um so eher auf,je länger man sich ■ 
mit seinen Schriften befasst . Aber ganz wird uns der ^ensch Goethe erst : 
erschlossen in"Eckermann*s besprächen mit Goethe . Selbst Nietzsche hat 
es als das beste deutsche Buch überhaupt bezeichnet,das ii^imer wieder 
verdiene» gelesen zu werden ja mehr noch als Goethe'3 eigne Schriften . 
Gewiss atmen .seine Gespräche den Geist einer vergangenen, Zeit.Es tau -. 
chen darin naturwisffenschaftlicheJ"philosophische und geschichtliche Fra 
gen aud ; die heute in anderer Weise gestellt werden mögen . Trotzdem • 
bleibt die tiefgründige Stellungnahme Goethe's zu diesen Fragen interes 
sant .Vieles ist aber,trotzdem nun mehr als 100 Jahre verflossen sind, 
heuie noch so aktuell wie es damals war und was berührt nicht alles der 
geeitert& uoethe in diesen esprächen ? Wie weiss er sich mit dem Geheim— 
nis des Menschen,der mit den Grundfragen seiner Existenz, ringt so geist 
voxi aaseinenderzusetzea und mit welcher Zielsicherheit greift er die 
richtigen Fäden auf,um uns in dem dunklen Labyrinth des Daseins ein zu 
verlässiger Führer zu sein 1 Mir hat die Lektüre dieser Gespräche zu 
der ich fast jedes Jahr» greife »wenn ich etwas zu meiner SeelenStärkung 
brauche »immer die reinste Beglückung gebracht . Mag es noch so viele 
Systeme der Philosophie gbben und mag ihr Studium dann und wann Befrie 
digung bieten »die schlichten und einfachen^sber ins Zentrum treffenden 
Gedanken eines Goethe können sie nicht ersetzen ."Wir sind Sensualisten 
- \, A .ie Goethe einmal sagt — solange wir Kinder sind »Idealisten »wenn wir 
lieben und in den geliebten Gegenstand Eigenschaften legen »die nicht ei 
gentlich darin sind . Die Liebe wankt »wir zweifeln an der Treue und sind 
Skeptiker,ehe wir es glaubten »Wir werden während dee bestes unseres Le 
bens gleichgültig »lassen es gehen »wie es wiljÄund endigen mit dem Quie— 
tismus »wie die indischen Philosophen auch . " Wer alt geworden ist »hat 
die Wahrheit dieser Worte zumeist an sich selbst erfahren .Aber was ich & 
als einen weiteren ^ewinnjsus seiner universellen Persönlichkeit »aus sei 
nem hohen Ethos in meine eigne Lebensführung mitübernommen habendes ist 
das,was Niemand mit auf die Welt bringt und worauf doch alles ankommt, 
damit der^ ensch - nach Goethe's eigenen Worten nach allen Seiten zu ein 
Mensch sei : die Ehrfurcht ! In seiaen«Wilhelm Meister’s Wander jahren 1» 
Buch 2, Kap 1, steht Goethe's Lehre von den drei Ehrfurchten »nämlich vor 
dem,«as über uns ist — vor dem was uns gleich ist — und vor dem was unter 
uns 13t - aus denen drei Arten echter Religion entstehen »die wahre Re 
ligion geht ^aber sus seiner vierten"obersten Ehrfurcht " hervor ; das 
ist die Ahrfurcht vor sich selbst »die Ehrfurcht gegen dae Mvsterium» 
das in uns ist . Erst auf dieaarjstufe gelangt nach Goethe der Mensch zum 
Höchsten»was er zu erreichen fähig ist . Abschliessend bezeuge ich mit 
sufrichtiger Freude,dass eignes Erleben mich auch die Wahrheit des 
Goethe'sehen Ausspruches : " Wer meine Schriften und mein Wesen üfcer- 
1 
haupt verstehen gelernt »wird doch bekennen müssen 
• e inner ejFreiheit gewonnen hat,” erkennen Hess 
»dass er eine gewis-
	        
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