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Wie meine sämtlichen Altersgenossen der jetzigen Generation erlebte ich
noch fast anderthalb Jahrzehnte des 19ten Jahrhunderts in einem für al
le Bildungseinflüsse ganz besonders^aufnahmefähigen Alter . Möchte man
das achtzehnte Jahrhundert als das zeüalfer der immer mehr zur ^eltung
kommenden Aufklärung »die ja ihren Anfang schon während der Renaissanae
zeit nahm , bezeichnen »so nahm diese im 19 ten Jahrhundert gewiss ih
ren Portgang ,wiewohl schon die ersten Jahrzehnte im Zeichen jenes gros
sen und universellen Umschwunges im Empfinden und senken ,den man gemeir
hin "Romantik " zu nennen pflegte »standen • Riese trat auf gewisserma#e
ßen als §egensatz zur Aufklärung ,deren Grundcharakter ein unbedingter
Glaube an die Vernunft war* ,Als apodictische Wahrheit verkündete die
Aufklärung ,dass nur durch Vernunft und Wissenschaft der Weg zu jeder
Erhöhung menschlichen Daseins führt . Anders dachte die Romantik »die
sozusagen als Reaktion gegen die Überschätzung des Rationalen auftrat
wie ja jede geistige Bewegung immer wieder gegensätzliche Tendenzen
zur Auslösung bringt •- Die Romantik ,die Gemüt und Seele in der Über
spitzung des Nationalen vernachlässigt fand »suchte die schöpferischen
Lebenskräfte nicht in der Vernunft allein »sondern in den Tiefen des
emütes . Aber schliesslich schoss die romantischen Einstellung mancher
Denker und Dichter im 19 ten Jahrhundert vielfach übers Ziel und rief
wieder slck scharf von i&r abhebende Gegenwirkungen hervor . Auf allen
geistigen Gebieten wurde die romantische Denkweise von den immer mehr
**eltung gewinnenden Fortschritten der Naturwissenschaften wieder zurück
gedrängt . Überhaupt gab der üissensehaftxSgeist - insbesondere die
Historie - der zweiten Hälfte des I9ten Jahrhunderts ein ganz individuel
les Gepräge und schlug alle u ebildfcten immer mehr in seinen gann • Eine“
besondere Sensation brachte der durch die aufblühenden Naturwissenschaft
ten mit grösster Intensität zum Durchbruch kommende Entwicklungsgedanke,
der dann alle Seiten des geschichtlichen Lebens erfasste . Sprache und
Mythologie »gesellschaftliches und wirtschaftliches »Literatur unc
Kunst »Wissenschaft und Philosophie »alles wurde nun unter dem Gesichts
Winkel organischer Entwicklung gesehen . In diesem engen Rah^meaa ist e3~
natürlich unmöglich »in grossen Linien und kurzen Formulierungen
die ein ganzes Jahrhundert beherrschenden geistigen Tendenzen zu skiz
zieren, aber wenigstens andeutungsweise wird aus dieser knappen Charakte2
risierung der sich aus allen diesen -“estrebungen entwickelnde Hang zur*“
Erwerbung enzyclopaedischen lissens erkennbar »den man selbst bis weit
in das 2o te Jahrhundert hinein »wenn man an dem geistigen ^eben nur
irgendwie teilnahm»unterworfen blieb . Als Kind der Zeit und vom Zeit**
geiat ebenjzu sehr angekränkelt entwickelte sich auch^in mir der ohBediee
schon latent vorhandene Hang zum Polyhistor . Einer Füh27ung durch vo2v
bildliche Hehrer *wie sie zumeist derjenige findet , der seine Bildunge
elemente aüf einer Universität sich anzueignen Gelegenheit hat,musste ~
ich entraten . Selbst musste ich mir Führer sein und den ungleich schwic
rigeren Weg der Selbsthilfe beschreiten »einen Pfad »der bei gering ent
wickelten kritischen Vermögen leicht in die Irre führen kann* ü&s im
gespräch mit Faust der recht philisterhaft gezeichnete Magister Wagner
- mit dem ich mich allerdings nicht identifizieren möchte - sagt »das
könnte ich aber auch auf den Sturm und Drang meiner jungen läge anwen-
de* : x .
M Mit Eifer hab ich mich der Studien beflissen
Zwar welss ich viel »doch möcht ich alles wissen . M
Unersättlich wqr ia der |at mein Wissendurst ♦ ^lles 7; äs mir einen Zu
gang zum Geistigen verhiCss »wurde mit Begeisterung ergriffen . Zur Er
reichung meiner wahrlich sehr hoch gesteckten Ziele konnte mir aber nur
das Buch verhelfen . Den Büchern gilt deshalb mein grösster »ja heisse-
ster Dank . Wenn ich heute noch die lv e±hen an meinen Bücherregalen durcl
mustere »blicken mich alte Freunde an ♦ Durch den Zahn der Jeit hat ihr
äusseres iSewand wohl schon sehr gelitten . ^erlesen wie sie sind »mögen
sie Anderen wenig imponieren »ja fast wertlos erscheinen! Mich ziehen
eie aber noch ebenso magnetisch wie in jüngeren Jahren an , denn mit
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