Full text: Kultur der Geselligkeit; Intimes Musizieren; Ausklang; Harry de Garmo in memoriam (Band 3, Teil 2)

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für die Beethoven*'sehe Neunte bekundete,was der spontane Begeisterung 
verratende Beifall bewies . Selbst für viele musikalische Deutsche ist 
diese Symphbnie durchaus schwere Kost . Ein so gemischtes Publikum 
wie in diesen-Volkskonzerten muss daher schon über eine hohes Maß 
erworbener Musikkultur verfügen, um diesem Werke,das nicht in allen 
Sätzen sehr eingänglich ist mit offensichtlichen Interesse folgen zu 
können. Eins war mir von vornherein klar . Instinctiv empfindet der 
einigermaßen gebildete Burchschnittsfranzose eine tiefe Ehrfurcht vor 
einer genialen Kunstschöpfung und ihrer ausgezeichneten Interpretation 
selbst wenn nicht alles ganz verstanden wird und diesEhrfurcht ist er 
in erster Linie,die ihn selbst für die Beethoven’sehe Neunte empfäng 
lich macht,Im Allgemeinen ist neben der natürlichen Intelligenz auch 
die künstlerische Eindrucksfähigkeit bei den Franzosen sehr gross . 
Bei Musikwerken 3 in denen stark hervortuetende Themen mit wundervoll 
logischer Entwicklung durchgeführt werden,in denen ein farbenreiches 
Orchesterkolorit an die Sinnenfreude appelliert und in d enen eine ziem 
lieh, unschwer zu entwirrende Polyphonie s.uftrdit.t ,geht der einiger-' 
maßen musikalisch empfindende Franzose gern mit • Nicht aber eignet 
sich sein musikalisches Fassungsvermögen für Y/erke in der Art der 
Schöpfungen eines Bruckner oder Brahms,die ich eigentlich niemals zu 
meiner Pariser Zeit auf den Konzertprogrammen gefunden habe .Ausser - "J 
ordentlich beliebijwere^Wagner ; die deutschen Klassiker,insbesondere Beet 
hoven Mozart Haydn Händel selbst Bach,dann aber die Russen und von den 
neueren deutschen Komponisten auch Richard Strauss .Unentschieden will 
ich aber lassen , oh selbst bei höchst musikalischem Franzosen das Ah 
nungsvermögen für die tieferen Untergründe der Musik,die die Pforte in 
eine ganze Welt seelischer Vorgänge öffnen ,sich mit dem gleichgearte 
ter Deutsche® messen kann. 
Auch der bildenden Kunst,die in Paris eigentlich ein monatölanges Stu 
dium erfordern würde ,konnte ich nur wenige berufsfreie Stunden widmen. 
Deshalb besuchte ich den Louvre,dieses imposanteste Museum der Welt, 
nur wenige Male und es sind mir daher aus diesen flüchtigen B esUc h en 
nur relativ schwache Eindrücke im Gedächtnis geblieben . Zudem war 
zu meiner Pariser Zeit - wie ich dies schon in meinem Kapitel M Im Ban 
ne der bildenden Kunst M andeutete - teilweise die Aufhängung der . u emäl- | 
de nicht dazu angethan,sich auf die verschiedenen Schulen zu konzentrier 
ren und ihre Eigenart zu studieren»selbst wenn mir mehr Zeit zur Ver 
fügung gestanden hätte . Unter der Unzahl der ausgestellten Gemälde ha- ! 
ben mich doch einige ^eisterwerke derart gefesselt,dass ich sie trotz 
dem in Erinnerung behalten habe • Neben einigen berühmten Tizians,an 
die ich^mich nur noch dunkel erinnere ^reizte mich natürlich die berühm 
te MohaLisa von Lionardo da Vinci zu längerer Betrachtung . Von Rem- 
brandt sah ich die Bathseba Hendrickje wie das Samariterbild,von Ru 
bens das Bild seiner Frau Helene Fpurment . Nicht übersehen konnte ich 
den prächtig ausgestatteten Saal der allein den mächtigen 21 Rubens’sehe! 
sehen Bildern ,die das "“eben der Marie von Medici zum %egenstand haben, 
reserviert ist . In diesen Bildern hat Rubens Allegorie und Geschichte *; 
in künstlerischer Weise geschickt kombiniert . Natürlich haben mich auch) 
verschiedene Werke berühmter Franzosen zu längeren Verweilen bestimmt* 
Ich denke da besonders an Ingres * Odaliske,Menet*s Olympia.Daubigny*s ' 
Ernfce^an David ’s Schwur der Horatier - ohne mich gerade für die thea— f 
tralasche Pose,die in diesem Bilde vorherrscht,sehr zu begeistern - 
an Werke von Millet^Corot^Courbet,Delacroix,Poussin^Claude Lorrain, 
an ,den Watteau*sehen Gilles und an die französischen Landschafter 
der Schule Barbizon -Fontainebleau .Natürlich habe ich die wunderbaren 
Plastiken wie den Borghesischen Fechter und die v enus von Milo ange- 
staunt^wie auch Meisterwerke von Rodin bewundert . Steigt man die Esca- 
lier Daru im Louvre empor^komrat man in jenen Teil des Museums^in dem 
man sich von Jahrtausenden umwittert fühlt . Hier sind die Ausgrabungen j 
der *ä3yrer ,Babylonier^Perser*griechen in Originalen oder sehr ge 
schickten Nachbildungen zur Schau gestellt . Gleich beim Eintritt 
erblickt man die Siegesgöttin Nike von Samotterake und stösst auf einen
	        
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