302
für die Beethoven*'sehe Neunte bekundete,was der spontane Begeisterung
verratende Beifall bewies . Selbst für viele musikalische Deutsche ist
diese Symphbnie durchaus schwere Kost . Ein so gemischtes Publikum
wie in diesen-Volkskonzerten muss daher schon über eine hohes Maß
erworbener Musikkultur verfügen, um diesem Werke,das nicht in allen
Sätzen sehr eingänglich ist mit offensichtlichen Interesse folgen zu
können. Eins war mir von vornherein klar . Instinctiv empfindet der
einigermaßen gebildete Burchschnittsfranzose eine tiefe Ehrfurcht vor
einer genialen Kunstschöpfung und ihrer ausgezeichneten Interpretation
selbst wenn nicht alles ganz verstanden wird und diesEhrfurcht ist er
in erster Linie,die ihn selbst für die Beethoven’sehe Neunte empfäng
lich macht,Im Allgemeinen ist neben der natürlichen Intelligenz auch
die künstlerische Eindrucksfähigkeit bei den Franzosen sehr gross .
Bei Musikwerken 3 in denen stark hervortuetende Themen mit wundervoll
logischer Entwicklung durchgeführt werden,in denen ein farbenreiches
Orchesterkolorit an die Sinnenfreude appelliert und in d enen eine ziem
lieh, unschwer zu entwirrende Polyphonie s.uftrdit.t ,geht der einiger-'
maßen musikalisch empfindende Franzose gern mit • Nicht aber eignet
sich sein musikalisches Fassungsvermögen für Y/erke in der Art der
Schöpfungen eines Bruckner oder Brahms,die ich eigentlich niemals zu
meiner Pariser Zeit auf den Konzertprogrammen gefunden habe .Ausser - "J
ordentlich beliebijwere^Wagner ; die deutschen Klassiker,insbesondere Beet
hoven Mozart Haydn Händel selbst Bach,dann aber die Russen und von den
neueren deutschen Komponisten auch Richard Strauss .Unentschieden will
ich aber lassen , oh selbst bei höchst musikalischem Franzosen das Ah
nungsvermögen für die tieferen Untergründe der Musik,die die Pforte in
eine ganze Welt seelischer Vorgänge öffnen ,sich mit dem gleichgearte
ter Deutsche® messen kann.
Auch der bildenden Kunst,die in Paris eigentlich ein monatölanges Stu
dium erfordern würde ,konnte ich nur wenige berufsfreie Stunden widmen.
Deshalb besuchte ich den Louvre,dieses imposanteste Museum der Welt,
nur wenige Male und es sind mir daher aus diesen flüchtigen B esUc h en
nur relativ schwache Eindrücke im Gedächtnis geblieben . Zudem war
zu meiner Pariser Zeit - wie ich dies schon in meinem Kapitel M Im Ban
ne der bildenden Kunst M andeutete - teilweise die Aufhängung der . u emäl- |
de nicht dazu angethan,sich auf die verschiedenen Schulen zu konzentrier
ren und ihre Eigenart zu studieren»selbst wenn mir mehr Zeit zur Ver
fügung gestanden hätte . Unter der Unzahl der ausgestellten Gemälde ha- !
ben mich doch einige ^eisterwerke derart gefesselt,dass ich sie trotz
dem in Erinnerung behalten habe • Neben einigen berühmten Tizians,an
die ich^mich nur noch dunkel erinnere ^reizte mich natürlich die berühm
te MohaLisa von Lionardo da Vinci zu längerer Betrachtung . Von Rem-
brandt sah ich die Bathseba Hendrickje wie das Samariterbild,von Ru
bens das Bild seiner Frau Helene Fpurment . Nicht übersehen konnte ich
den prächtig ausgestatteten Saal der allein den mächtigen 21 Rubens’sehe!
sehen Bildern ,die das "“eben der Marie von Medici zum %egenstand haben,
reserviert ist . In diesen Bildern hat Rubens Allegorie und Geschichte *;
in künstlerischer Weise geschickt kombiniert . Natürlich haben mich auch)
verschiedene Werke berühmter Franzosen zu längeren Verweilen bestimmt*
Ich denke da besonders an Ingres * Odaliske,Menet*s Olympia.Daubigny*s '
Ernfce^an David ’s Schwur der Horatier - ohne mich gerade für die thea— f
tralasche Pose,die in diesem Bilde vorherrscht,sehr zu begeistern -
an Werke von Millet^Corot^Courbet,Delacroix,Poussin^Claude Lorrain,
an ,den Watteau*sehen Gilles und an die französischen Landschafter
der Schule Barbizon -Fontainebleau .Natürlich habe ich die wunderbaren
Plastiken wie den Borghesischen Fechter und die v enus von Milo ange-
staunt^wie auch Meisterwerke von Rodin bewundert . Steigt man die Esca-
lier Daru im Louvre empor^komrat man in jenen Teil des Museums^in dem
man sich von Jahrtausenden umwittert fühlt . Hier sind die Ausgrabungen j
der *ä3yrer ,Babylonier^Perser*griechen in Originalen oder sehr ge
schickten Nachbildungen zur Schau gestellt . Gleich beim Eintritt
erblickt man die Siegesgöttin Nike von Samotterake und stösst auf einen