Full text: Kultur der Geselligkeit; Intimes Musizieren; Ausklang; Harry de Garmo in memoriam (Band 3, Teil 2)

«Jedenfalls war die Wiedergabe dieses französischen Klassikers höchst 
eindrucksvoll und durch die an diesem vom Staate subventionierten 
nationalen Theater wirkenden erlesenen Kräfte bekam man einen hohen 
Begriff von der französischen Schauspielkunst »in der sich Beist, 
Witz»Humor, Anmut »formale Kultur des Vortrags und der Gebärde wie 
prachtvolle Behandlung der Sprache harmonisch vereinigt finden . 
** edesmal,-wenn ich als Bärenführer der von unserem Industriekonzern 
nach Paris kommenden Herren fungieren musste^wurden die im Dienste 
der leichtenMuee stehenden Theater besucht*also die Variötös wie das 
Oasino de Paris ,die Fo'lies -Berg'bres und die Moulin Rouge ,die übri- 
gens heute ein grosses Kino sein soll. Die Variöte-Programme sind woh 
in allen Hauptstädten der Welt ziemlich gleichartig wie auch die auf 
tretenden Künstler international sind .Kanonen ,die ich damals in den 
lariser Variötös erlebte »waren die seiner Zeit schon sehr bejahrte, 
aber mit allen raffinierten Mitteln der französischen Kosmetikfeich 
jung und schön erhaltende Tänzerin Mistinguette »die Negertänzerin 
Baker,die englischen Tänzerinnen Dolly Sisters und vor allen Din 
gen der noch heute grossen Ruf geniessende^damals noch sehr jugend- 
liche Komiker Maurice Chevalier . Das war nun wirklich ein ausserge- 
wöhnlicher Künstler »der mit seinem Charme und seiner immer liebens 
würdigen Komik auch den blasiertesten Zuschauer entwaffnete . Eine 
von ihm gespielte Stene^die ganz aufs Erotische angelegt zu sein . 
schien und doch ganz anders^und zwar mit einem kaum erwarteten Knall- 
effect-endete>ist mir in Erinnerung geblieben und aufbewahrte Aufzeicl 
nungen über diese Szene ermöglichen es mir »meinen Lesern einen unge-~ 
fahren egriff von ^er Art dieser echt französischen Variötdkunst 
zu geben .In einer Revue des °asino de Paris "Les ailes de Paris * 
hatte Chevalier u. Ä. eine an sich nicht sehr geistreiche Szene zu 
spielen,aber»wie er es tat,war unnachahmlich : 
Kin sehr hübsches Mädchen weist ihm ein Zinkner im Hotel an. Nach kur 
zem Dialog geht sie :*Bonne nuit »Monsieur'—rßonne nmit »Mademoiselle 
Als er in Hose und $pmd steht »stürzt sie ins Zimmer u#d bringt ihm 
Handtücher • Und sonst sei wohl alles in Ordnung - Ja*uBonne nuit , 
Monsieur 31 Bonne nuit»Mademoiselle ” »diesmal schon mit bedeutungs 
volleren Untertönen .— ^r will gerade die Hosen herunterlassen,da ist 
sie schon wieder da (er flieht hinter einen Paravant ). Ob er Kaffee 
oder Thee zum Frühstück wolle ? - Kaffee . - Kaffee mit Milch oder 
schwarz? — Kaffee mit Milch. — Bonne nuit»Monsieur (diesmal sehr be 
tont ) Bonne nuit »Mademoiselle (seine Augen werden immer grösser ), 
- Er steht schon im Pyjama,als sie wieder im Zimmer ist ; er flüchtet 
ins ^ett. (Dem Zuschauer wird nun seine billige Ahnung zur Gewissheit 
die er schmunzelnd quittierti. Sie wird nun auch sehr deutlich : Ob „ 1 
denn das Bett weich und gut sei . (*r wippt )mais oui,Mademoiselle . 
Ob es nicht ein wenig eng^ei. Hm »es sei wirklich nicht breit .- Ob 
nicht trotzdem Platz für zwei 3eit- Er(Augenaufschlag »letzter Zwei 
fel »Freude und knabenhaft ausbrechend )mais ouiiii Mademoiselle !!!! 
Und während er selig »jungenhaft eifrig »tolpatschig aufgeregt das 
Kissen zur Seite schiebt und die ^ettdecke zurechtzupft - hat sie 
schon einen furchtbar dicken Mann ■herei-nßeholt ; der Herr wolle lie 
benswürdigerweise (wegen Platzmangels $ ihn hier auf nehmen »er könne 
sich hinlegen . Der Dicke plumct ins Bett,Chevalier entgeistert , 
sprachlos »noch nicht völlig im Bilde »"kulle i t auf der anderen Seite 
zum ^ett hinaus ; Dunkel »Vorhang .— 
& ine besondere Spezialität in allen Variötös waren damals in Paris 
die Naktrevuen . Über eine breite Treppe tänzeln dauernd etwa zwei 
Dutzend im Evakostüm auftretende > aussergewöhnlich schön gewachsene Mäc 
cherjhit goldfunkelnden^endenschurz und phantastischen Kopfputz.sich 
von allen Seiten zeigend, auf und herunter . Der mit dieser Vorführang 
beabsichtigte erotische heiz verliert sich bald .nachdem marterst mal 
sich an der körperlichen Schönheit satt gesehen und man stellt fest, 
dass die nakte Massenhaftigkeit das reir^aesthetische Vergnügen auf 
ein Minimum reduziert .
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.