«Jedenfalls war die Wiedergabe dieses französischen Klassikers höchst
eindrucksvoll und durch die an diesem vom Staate subventionierten
nationalen Theater wirkenden erlesenen Kräfte bekam man einen hohen
Begriff von der französischen Schauspielkunst »in der sich Beist,
Witz»Humor, Anmut »formale Kultur des Vortrags und der Gebärde wie
prachtvolle Behandlung der Sprache harmonisch vereinigt finden .
** edesmal,-wenn ich als Bärenführer der von unserem Industriekonzern
nach Paris kommenden Herren fungieren musste^wurden die im Dienste
der leichtenMuee stehenden Theater besucht*also die Variötös wie das
Oasino de Paris ,die Fo'lies -Berg'bres und die Moulin Rouge ,die übri-
gens heute ein grosses Kino sein soll. Die Variöte-Programme sind woh
in allen Hauptstädten der Welt ziemlich gleichartig wie auch die auf
tretenden Künstler international sind .Kanonen ,die ich damals in den
lariser Variötös erlebte »waren die seiner Zeit schon sehr bejahrte,
aber mit allen raffinierten Mitteln der französischen Kosmetikfeich
jung und schön erhaltende Tänzerin Mistinguette »die Negertänzerin
Baker,die englischen Tänzerinnen Dolly Sisters und vor allen Din
gen der noch heute grossen Ruf geniessende^damals noch sehr jugend-
liche Komiker Maurice Chevalier . Das war nun wirklich ein ausserge-
wöhnlicher Künstler »der mit seinem Charme und seiner immer liebens
würdigen Komik auch den blasiertesten Zuschauer entwaffnete . Eine
von ihm gespielte Stene^die ganz aufs Erotische angelegt zu sein .
schien und doch ganz anders^und zwar mit einem kaum erwarteten Knall-
effect-endete>ist mir in Erinnerung geblieben und aufbewahrte Aufzeicl
nungen über diese Szene ermöglichen es mir »meinen Lesern einen unge-~
fahren egriff von ^er Art dieser echt französischen Variötdkunst
zu geben .In einer Revue des °asino de Paris "Les ailes de Paris *
hatte Chevalier u. Ä. eine an sich nicht sehr geistreiche Szene zu
spielen,aber»wie er es tat,war unnachahmlich :
Kin sehr hübsches Mädchen weist ihm ein Zinkner im Hotel an. Nach kur
zem Dialog geht sie :*Bonne nuit »Monsieur'—rßonne nmit »Mademoiselle
Als er in Hose und $pmd steht »stürzt sie ins Zimmer u#d bringt ihm
Handtücher • Und sonst sei wohl alles in Ordnung - Ja*uBonne nuit ,
Monsieur 31 Bonne nuit»Mademoiselle ” »diesmal schon mit bedeutungs
volleren Untertönen .— ^r will gerade die Hosen herunterlassen,da ist
sie schon wieder da (er flieht hinter einen Paravant ). Ob er Kaffee
oder Thee zum Frühstück wolle ? - Kaffee . - Kaffee mit Milch oder
schwarz? — Kaffee mit Milch. — Bonne nuit»Monsieur (diesmal sehr be
tont ) Bonne nuit »Mademoiselle (seine Augen werden immer grösser ),
- Er steht schon im Pyjama,als sie wieder im Zimmer ist ; er flüchtet
ins ^ett. (Dem Zuschauer wird nun seine billige Ahnung zur Gewissheit
die er schmunzelnd quittierti. Sie wird nun auch sehr deutlich : Ob „ 1
denn das Bett weich und gut sei . (*r wippt )mais oui,Mademoiselle .
Ob es nicht ein wenig eng^ei. Hm »es sei wirklich nicht breit .- Ob
nicht trotzdem Platz für zwei 3eit- Er(Augenaufschlag »letzter Zwei
fel »Freude und knabenhaft ausbrechend )mais ouiiii Mademoiselle !!!!
Und während er selig »jungenhaft eifrig »tolpatschig aufgeregt das
Kissen zur Seite schiebt und die ^ettdecke zurechtzupft - hat sie
schon einen furchtbar dicken Mann ■herei-nßeholt ; der Herr wolle lie
benswürdigerweise (wegen Platzmangels $ ihn hier auf nehmen »er könne
sich hinlegen . Der Dicke plumct ins Bett,Chevalier entgeistert ,
sprachlos »noch nicht völlig im Bilde »"kulle i t auf der anderen Seite
zum ^ett hinaus ; Dunkel »Vorhang .—
& ine besondere Spezialität in allen Variötös waren damals in Paris
die Naktrevuen . Über eine breite Treppe tänzeln dauernd etwa zwei
Dutzend im Evakostüm auftretende > aussergewöhnlich schön gewachsene Mäc
cherjhit goldfunkelnden^endenschurz und phantastischen Kopfputz.sich
von allen Seiten zeigend, auf und herunter . Der mit dieser Vorführang
beabsichtigte erotische heiz verliert sich bald .nachdem marterst mal
sich an der körperlichen Schönheit satt gesehen und man stellt fest,
dass die nakte Massenhaftigkeit das reir^aesthetische Vergnügen auf
ein Minimum reduziert .