Full text: Das Kasseler Theater- und Musikleben im Wandel der Zeiten; Im Banne der bildenden Kunst (Band 3, Teil 1)

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Kapellmeister wie das ein Weber und Mendelsohn in Deutschland ,Habe 
neck Valentino und Tilmsnt in Frankreich waren,vorstellen . Indessen 
wurde Spohr viel äussere Würde,wie sie den Talent und dem Genie eigen 
ist.js jene Grossartigkeit in äusseren Erscheinen A welche den Mann 
mit dem Taktstocke zu einem Souverän bei seinem Hof macht,nachgesagt, 
So oft er übrigens ein bedeutendes Werk aufzuführen hatte,konnte man £ 
sagen jdass er sich selbst übertraf. So konnte z. B. niemand besser als 
er den Don Juan dirigieren* Im Kern seines Wesens blieb Spohr trotz 
seiner o £rfolge schlicht und bescheiden . Ijßs existiren manche ihn 
charakterisierende Anecdoten/aus degen man sich leicht ein Urteil, 
über ihn als Mensch bilden kann, Als r einmal als kurfürstlicher Hof— 
kapellmeister anlässlich des Seburtstages des Landesherrn in Gala er 
scheinen musste,traf ihn ein Freund auf der Strasse in einem dicken 
“antel eingehüllt »obwohl die Sonne heiss brannte . Spohr öffnete nur 
seinen Msntel »wies auf den prdenbesäten Hoffrack hin und sagte :"Ich 
schäme mich nur ,so über die Strasse zu gehen • ” Ein Schmeichler war 
Spohr nicht und hatte daher wenig Talent zu einem Hofmanne.Er war auch 
bei Hofe wegen seiner freisinnigen Anschauung missliebig . 
per Schriftsteller Alfred Bock dessen v ater in Giessen im musikalische 
^eben eine hervorragende Stellung einnahm^hat aus dem Munde seines Va 
ters,der durch den Musiker Knoop bei Spohr eingeführt wurde ,den Ein& 
druck erfahren,den Spohr persönlich auf seinen v ater gemacht hatte • 
Er schildert denselben in folgender Weise : ,^Mein Vater wohnte einer 
A rioprobe bei Spohr bei . Spohr ist ein Mann von kolossaler Statur mit 
markierten wohltuenden Zügen ; er trägt eine lichtbraune Perücke . Er 
kam mir ernst und würdig entgegen • Spohr seine Frau und Knoop trugen 
ein Trio vor ,das mich in Enthusiasmus versetzte • Am meisten Eindruck 
auf mich machte Spohr*s Violinspiel . Dieser erhabene ^reis erschien 
mir als ein Verklärter . Seine Physiognomie korrespondiert stets mit 
dem Charakter der jeweiligen Musik .Düstere Wolken umziehen die Stirn 
sie werden immer heller, ein heiteres glückliches Lächeln spielt um 
seine Kippen - kurz es ist ein Hochgenuss den Altmeister geigen zu 
hören ♦"selbst ein Beethoven hat Spohr sehr geschätzt und seinerVer- 
ehrung für ihn auch äusserlich durch ein Erinnerungsblatt, das Spohr 
sehr hochhielt , Ausdruck gegeben • dasselbe stellt eineridreistimmigen 
Kanon über die Worte aus Schiller*s Jungfrau von Orleans " dar : 
"kurz ist der Schmerz, ewig währt die Freude ** Es ist mit besonderer 
jjeduld geschrieben vom Anfang bis zum Ende,Die Notenlinien sind selbst 
von ihm gezogen .Bas Blatt schliesst mit dem Wunsche : 
"Mögten Sie doch lieber Spohr überall,wo Sie wahre Kunst und wahre 
Künstler finden ,gerne meiner gedenken , Ihres Freundes 
Ludwig van Beethoven 
Wien am 3 März 1815 
Nach heutigen Vorstellungen und Kunstanschauungen findet man daher 
kaum eine Entschuldigung für aas verhalten des letzten Kurfürsten den 
idealen "estrebungen Spohr*s gegenüber • Ja man sucht vergeblich nach 
den Gründen für die Schwierigkeiten »die er schon als Mitregent einer 
so bedeutenden Künstlerpersönlichkeit wie es doch Spohr war und auf de: 
Jeder andere deutsche Landesfürst stolz gewesen wäre »bereitete • Im 
J ahre 1837 wollte Spohr in Kassel ein Musikfest veranstalten . Am 
Pfingstsonnaoend sollten in der St! ^artinskirche der Mendelsohn*sehe 
Paulus am ersten Pfingsttag Spohr*s Symphonie "Die Wei#e der Töne n unc 
:ein Oratorium" Die letzten Dinge " bei Beleuchtung auf geführt werden. 
Dieser Plan fiel aber ins Wasser »denn £ter Kurprinz versagte die Ge 
nehmigung, zur Aufführung »einmal weil die das heilige Abendmahl vorher* 
reitenden H an cii un g en i n ^ er Kirche nicht gestört werden dürfen und anc 
dererseits, weil duch die Aufschlagung der ^erüste für den Chor wegen ~ 
der fürstlichen Gruft unschicklichwäre • Im anderen Rahmen als Privat 
aufführungen des Caecilienvereins »wo er die allerhöchste U enehmigung e 
entbehren konnte »brachte dann Spohr doch den Paulus in zwei Konzer 
ten heraus , Aber selbst die Aufführung der Bach* sehen Psssioriwurde 
von Kurprinzen abgeschlagen und erst nach dem zweiten Gesuch mit Be-
	        
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