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Jedenfalls wäre es interessant ,die Anfänge des Kasseler öffentlichen
Konzertlebens zu ermitteln »wozu mir leider nickt die Quellen in er
wünschtem Maße zugänglich sind • Gerade in Städten ,insbesondere in
fürstlichen Residenzen »wo oknedies für die Oper ständige Orchester
zur Verfügung standen wie es ja auck in Kassel der ^all war ,dürften
fraglos die Vorbedingungen zur Entfaltung eines öffentlichen Konzert
lebens günstiger gewesen sein als anderswo • In der Kasseler musika
lischen Akademie - so keisst es in einer von mir gefundenen Notiz -
ging den Konzerten ,die um 4 Uhr begannen, eine gesellige Unterhaltung
bey Kaffe und Tabak " voraus • Qb nun die Konzerte der Kasseler musik
kalischen Akademie noch in die Zeiten des Landgrafen Friedrich II.
oder in die Zeit um die Wende d&s 18 ten und 19 ten Jakrhunderts fie
len, konnte ick leider nicht feststellen ,aber soviel gekt aus dieser
Notiz hervor ,dass in ihrer ersten Form den öffentlichen Konzerten,
die auch nicht in den Abendstunden veranstaltet wurden ,ein zwanglo
serer Charakter innewoknte . Aus zeitgenössischen Berichten gekt ü-
brigens auck hervor ,dass das Publikum in Öffentlichen Konzerten sich
oft laut und lärmend verhielt • Von einer Konzertdisciplin ,wie sie
heute als selbstverständlich vorausgesetzt wird,war damals noch nicht
überall die Rdde . Längst waren aber schon Virtuosenkonzerte an der
Tagesordnung »wobei die Künstler das Risiko als eigne Unternehmer
selbst tragen mussten . Ja , selbst Künstler vom Range eines Paganini
sollen vor dem Konzert selbst an der Kasse gesessen haben ,um die
Eintrittsgelder einzukassieren und um sich auck einen materiellen Er
folg zu sichern »mussten sie sich durch Herumtragen von Subscriptions
listen bemühen,ihr Publikum zusammenzutrommeln • Wie nötig dies war
geht schon aus der Tatsache hervor »dass man es fast eis ein ausser-
gewöhnliches Ereignis ansah »wenn Privatleute unaufgefordert Enträe-
billets nahmen . übrigens gab es schon um die obenerwähnte Jahrhundert
wende in grossen Städten wie Hamburg eine solche Überfülle von VirtuoJ
aenkonzerten »dass man damals bereits von einer Konzertmüdigkeit spre
chen konnte und es sogar häufig vorkam »dass bekannte Virtuosen vor
leeren Sälen spielen mussten • Unter den Virtuosen befanden sich auch
Instrumentalis ten »die kaum noch im vorigen Jahrhundert als eigne
Konzertgeber in Frage gekommen wären . Recht beliebt waren beispiels _
weise Konzerte von Waldhoravirtuosen . Diese komponierten sich meis
tens ihre Vortragsstücke selbst . In allen grösseren Städten Deutsch
lands und i# Europa überhaupt »ja , in London Paris St Petersburg
Koa Kopenhagen usw konnte man auch damals schonldie gleichen Künstler,
die sich grosser Beliebtheit erfreuten »wie die Geiger Pixis und Kreut_
zer,den Cellisten Romberg »den Pianisten Dussek und die aus Kassel
ötaiaende Sängerin Schnehling gen. Mara und andere mehr hören und be
wundern . Sogar in kleineren deutschen Städten schritt man schon in je
ner Zeit zur Gründung von Orchestern . Aus allen Schichten der Gesell
schaft bildeten sich zur Förderung der Tonkunst Orchestervereinigungen
von 15-16 musikkundigen Personen »die daan sich unter den bekannten
-Pachausikern einenDirigenten wählten • Instrumente spielende ^erufs-
ausiker wurden prinzipielllnicht in diese Vereinigung aufgemomaen. Viel
mehr zog »an sie gegen reichliche Bezahlung bei Konzertveranstaltungen
hinzu. So kam es dass Musikliebhaber die eigentlichen Träger in der
Entwicklung der Orchesterkonzertkultur überall da wafen »wo zur Untqr
haltung grosser Kapellen zwecks Pflege der Instrumentalmusik die fürst
liche Munificenz fehlte beww entbehrt werden musste • An den Pulten
sassen neben den Musikfreunden die Öerufsmusiker . bis nach einer län
geren Übergangszeit das gewachsene künstlerische Verantwortungsgefühl
der Dilettanten dieselben nach und nach veranlasste »freiwillig ihre
Plätze den üerufsmusikem einzuräumen . So mögen allmählich die städti
sehen Orchester entstanden sein • Am 2o Decb 18o6 wurde von der Ber- ~
liner Singakademie der für die damalige Zeit bemerkenswerte Versuch
unternommen »ein öffentliches Konzert nur durch ^esang auszifüllen.