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Fesucher war natürlich Festkleidung vorgeschrieben . Von vielen
auswärtigen Theatern waren die Intendanten sowie prominente Bühnen
künstler eingeladen . Auch eine ganze -^eihe bekannter Dichter und
Schriftsteller waren zur Einladung vorgesehen »aber der Kaiser
schien mit der ihm vorgelegten Einladungsliste nicht ganz einver
standen gewesen zu sein »denn manche dieser Bühnenschriftsteller ,
selbst die beim Publikum ausserordentlich geliebten waren ihm aus
heute nicht mehr ganz verständlichen Gründen einfach nicht genehm
und so strich er mit der Bemerkung "Ganz unnötig M die Hamen bekannt ;
ter Theaterdichter wie Dr Paul Lindau,Paul Heyse »von Zobeltitz,
Gustav Kadelburg und Ludwig Fulda aus der Liste . ^eben dem Civil
erblickte man Offiziere aller Waffengattungen »wodurch ein wirk
lich farbenfrohes Bild in dem Zuschauerraum entstand »zumal die bun
ten Toiletten der Damen dazu noc^h ganz besonders beitrugen . Unter
der Last der Orden und Ehrenzeichen,die teile an der Brust hingen ,
teils aus den Knopflöchern hervorlugten oder um den Hals geschlungen
waren ^besehen die glücklichen Besitzer dieser reichen Ordensziir
schier zusammen. Las festliche "ffeiterkeit atmende Innere des Theaters
erregtte mit ^echt bei dem Kasseler Publikum sowie bei den Fremden
allseitige Bewunderung . Die Vorhalle schon mit den Aufgängen zu den j
Rängen ist von einer Pracht und Opulenz>wie man sie in wenigen gros
sen Theatern finden wird . Nicht minder die Foyers und die Wandelgän
ge ! Überall wundervoll künstlerisch abgetönte ^'arbenwirkungen »reicl
liches Gold aber in matter Tönung »Elfenbeinfarbe »gelb und weiss , *
mattes Blau »das waren die vorherrschenden ^arbtöne . Die Ornamente j
sind äussexst geschmackvoll.Die Innenarchit£ctur der intimen Räum
lichkeit »die für das A siserpaar vorgesehen war »ist in scheinbar
bewusster Nachahmung des Wilhelmsthaler Schlöochens oder wenig-*
stens in Anlehnung daran im Rokokostil gehalten .Überall war freudig«
ges Entzücken im Publikum über die kaum erv/artete Pracht der inneren
Ausstattung des Theaters erkennbar und dies mag auch selbst diejeni
gen Kasseler versöhnt haben , die den Abbruch des alten Musentempels
noch immer nicht verschmerzen konnten . Zum Zeichen der Eröffnung
der Vorstellung erklangen Fanfaren. Die Bläser waren in fridericisni*
sehe Tracht gekleidet . Diese Maskerade ausserhalb der Bühne mutete
nach dem Empfinden Vieler etwas anachronistisch an »aber der F rac ht-
sinn des E a i se rs wollte ein solches Requisit nicht gern missen . Von
einem grossen ^eil der auswärtigen Gäste wurde auch die auf 1 Wunsch
des Kaisers getroffene Wahl der Festoper M Undine ” von Jüortzihg
nicht gerade sehr glücklich empfunden,obwohl die Undine hoch die er
träglichste Form der sentimentalen Volksoper darstellt . Aber allge
mein hatte man das Gefühl »dass aas Kauptinteresse in dieser Eröff
nungsvorstellung sich mehr auf das urigemein festliche Bild im Zu
schauerraum als auf die Vorgänge auf der Bühne konzentrierte .Die
Aufführung zeigte - wie ich mich erinnere -anständiges Niveau .
Frl Kramm ,eine neuengagierte jugendlich dramatische Sängerin^sang
die Titelrolle mit ihrer schönen warmen Stimme »Koegel den Ringstet
ten . Wuzel war als idealsingender Kühleborn ganz in seinem Element.
Weiter waren in dieser denkwürdigen Vorstellung Frl Schuster als Ber-
thalda , Harbeck als ^eit und ^ariram als ^allermeister tätig .
Wag- an bühn ex echni scher Errungenschaft in diesem neuen Hause sofort
auffiel »das war die neuartige Beleuchtungseinrichtung »die sich j
glänzend bewährte . Das Licht wurde der Bühne nicht direct zugeführt,
sondern erhellte die Bühne durch Zurückst -hlung »was? jede Grellheit
des Lichtes ausschloso .
Als erstes Schauspiel im neuen Theater erschien Lessings"Minna von
Barnhelm M Dieses im Frühjahr 1768 in Berlin zum ersten Male aufge
führte Soldatenstück »das aber nebenbei gesagt auch heute noch als
eines der besten deutschen Lustspiele gilt »hat sich eine unverwüst
liche Lebenskreft bewahrt • In Kassel wurde es in den wahren um17,^o
herum von Wandertruppen sicherlich nicht in bester Form gegeben »ja
sogar^wie ich s chon früher erwähnte »kam unter der Intendanz des