Full text: Das Kasseler Theater- und Musikleben im Wandel der Zeiten; Im Banne der bildenden Kunst (Band 3, Teil 1)

53 — 
digkeit ein so vorzügliches Spiel garnicht zugetraut hätte .Nur hat 
te man bald den Eindruck,dass durch diese Partie ,die in der Höhe 
flüssige und leichte Tongebung erforderte ,ihre an sich starke r und 
sehr schöne Stimme in ihrer Eigenart gelitten hatte und ein Nach 
lassen ihrer Stimmlichen Qualitäten ,öie bei ihrem Eintritt in das 
Ensemble zu den schönsten Hoffnungen berechtigten ,war unverkennbar 
zu bemerken . Indessen verliess|Frl. Schuster bald darauf die Bühne , 
da sie den sehr musikalischen Lehppr Kahse heiratete . In Salome 
war auch Weltlinger als Epterodes und Wuzel als Jochanaan ganz.hervor— 
ragend,Auch die ausserordentlich zugkräftige B*AX#bert•sehe Oper 
"Tiefland ” erweckte beim Kasseler Publikum viel Teilnahme . Sei 
dieser damals geradezu sensationelli wirkenden Schöpfung B*Albert*s 
ist der Einfluss des italienischen Verismus unverkennbar nicht nur 
insoweit der Stoff in Betracht kommt sondern auch in der Musik 
schwimmt D*Albert ganz im veristischen Fahrwasser .Aber oh man nun 
in den Klängen der Tieflandmusik einmal Mascagni oder Puccini > das 
andere ^al Wagner heraushört »so bleibt doch die packende Gesamtwir- 
kung bewundernswert. . In den Hauptrollen sind mir noch die guten 
Leistungen von Prl Seiffert ,Kogel , Wuzel »Ulrici in Erinnerung 
geblieben . Eine Anfängerin Prl . Backhaus ,ein zierliches Persön^.w 
chen und stimmlich nicht sonderlich begabt ,fiel damals in der 
recht natürlichen Gestaltung des naiven Neturkindes Nuri auf . Lu-rch 
ein merkwürdiges Bpiel des Zufalles sollte ich später gesellschaft 
lich in nahe Beziehungen zu Prl Backhaus treten . 
Von ähnlich packender Wirkung wie Tiefland War auch Kienzl'sEvan- 
gelimann,welche Oper ich in Kassel auch zum ersten Male sah undhör- 
, te . Einen ungemein starken Eindruck hinterliess bei mir damals Carl 
Grossais Johannes . Der kriminüalistischcßtoff ist theatralisch wirk 
sam für die Bühne verarbeitet . Die Musik streift häufig sehr ans 
Sentimentale ,ist aber im Grossen und Ganzen sehr volkstümlich .Von 
ungemein komischer Wirkung ist die heitere Kegelszene ,die auch mu 
sikalisch]® von Kienzl*sehr feinsinnig gestaltet ist .Im Jahre 19o7 
gastierte Aino Actd von der grossen Pari ser Oper als Margarethe 
inGounod's Oper . Um dieselbe ^eit waren noch zwei andere deraeit 
berühmte Sängerinnen Madame Cahier und Sigrid Arnolden als Gäste 
nach Kassel gekommen »was im Allgmeinen selten vorkam .Am 28März 
19o9 fand am Kasseler Hoftheater die hundertste Aufführung der 
•Junggrau von Orleans statt ,während die erste nach der Theaterchro 
nik mit Mc}£gi Peife in der Titelrolle am To März 1816 erfolgte .Die 
se von dem Oberre.gisseur Hertzer durchgeführte Neuinszenierung war 
für mich speziellinsofern bedeutungsvoll als ich bei dieser Gelegen 
heit mich zum ersten Male im Kgl Theater als Schauspielreferent betä 
tigen durfte . Mir war der Sedanke niemals gekommen , dass ich das ~ 
Theater je anders aPs ‘nur als geniessender Zuschauer oder Zuhörer 
besuchen würde und nun trat der mir befreundete Rector Arnold Lat- 
wesön ; der als höchst gewandter Schauspielreferent der damaligen„hes- 
sischen Post"allgemein geschätzt war ,en mich mit der Bitte heran , 
ihn im Verhinderungsfälle gelegentlich zu vertreten . wie schmeichej 
haft auch für mich sein mir entgegen&ebrachtes Vertrauen war »ging 
ich doch mit etwas Bangen an die mir zugetraute Aufgabe heran ,die 
meinem eigentlichen Berufe so fern lag und zu welcher mir als sehr 
beschäftigter qeschäftsmanndoch auch die genügende Zeit und Muße 
fehlte . Inoffiziell fühlt sich ja jeder geistig Sege.»mehr oder 
weniger urteilsfähige Zuschauer berufen ,Kritik zu üben und daran 
habe ich es auch nie fehlen lassen. Doch nun sollte ich öffentlich 
und verantwortlich das »was ich empfand ,in wohlgesetzten Worten 
niederschreiben. Ohne jede Vorbildung war es immerhin eine heikle 
Aufgabe »wenn ich sie auch nur als sogenannte "zweite Garnitur*'zu 
erfüllen brauchte • Doch sie reizte mich und.ich übernahm deshalb 
gern diese Mission »die mich nun noch mehr an das Theater fesseln 
sollte . Wider Erwarten fand mein erstes grösseres Referat auch Gna 
de vor der hohen Redaction,die nun mich als gelegentlichen Vertre-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.