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schon gestorben ist ,war ich sehr gut bekannt und habe öfters mit
ihm musiciert . .
Wohl noch unter dem Intendanten von Carlshausen wirkten zwei Sänger >•
die später in.der Theaterwelt sich grösster Schätzung erfreuten . Es
waren die Baritone Dr Krückl und Paul Bulss. Ersterer war Besitzer
einer schönen weichen ,mehr zum Lyrischen neigenden Stimme und verfüg
te über eine vornehme Gesangskunst »während die prachtvolle Stimme von
Paul'Bulss mehr heldischen Charakter hatte . Letzteranjiürte ich noch
kurz vor seinem Tode in einem Kasseler Konzwerte und konnte seine
auch damals noch hervorragende Stimme bewundern • An Stelle von Paul
Bulss trat später der rühmlichst bekannte mit herrlichen Stimmmitteln
und ausgezeichneter Gesangskunst begabtexKarl Mayer ein »der dann der
Kasseler Bühne eine z eit lang angehörte • Auf dem Konzertpodium »wo
ich ihn auch noch zu hören Gelegenheit hatte »war er gegenüber Bulss
doch die interessantere Erscheinung .
Als Wahrerin der höchsten Kulturgüter war sich die preussische Krone ,
die das frühere kurfürstliche Hoftheater übernommen hatte , damals
durchaus ihrer Pflicht bewusst »der Kasseler Bühne das traditionell
hohe künstlerische Niveau zu erhalten und mag auch der Wechsel ‘unter
dem Künstlerpersonal verhältnismäßig gross gewesen sein »so wurden aber
doch immer sowohl unter den Sc-hauspielern als auch Sängern verheissung
volle Kräfte für die Kasseler Bühne gewonnen,denen von Kassel aus dann
meistens der Sprung an die grössten Theater gelang . Ausser den bereit
oben erwähnten Sängern und Sängerinnen darf auch als. eine später zu
grossen Ruf gelangende Künstlerin die Altistin Frau Brandt- Görtz ge
nannt werden • Auch kamen bald nach 1866 wieder berühmte Gäste nach
Kassel • Vor allen Dingen der inzwischen in ganz Deutschland gefeier
te Theodor Wachtel »in den Jahren 1872 und 73 Klara Ziegler und Frie
drich Haase . Einige Jahre vorher hat sogar der schon 64 jährige Emil
levrient als Egmont »Bolingbroke Hamlet und Bolz das Publikum noch zu
enthusiasmieren verstanden • Im i'aehe des ersten Helden verfügte das
Kasseler Theater in jenem Jahrzehnt über ausgezeichnete Kräfte wie
n ermann Günther »Varena und Thiess . Auch des Heldenäartsellers Karl
Ulram erinnerte man sich noch lange nach dessen Ausscheiden • Ins
besondere seine Gestaltung des Gallenstein muss äusserst eindrucksvoll
gewesen sein »denn in theaterliebenden Kreisen herrschte allgemein die
Ansicht vor »dass die spätere vorbildliche Verkörperung dieser Rolle
durch ^atkowski Ulram’s Glanzleistung nicht verdunkeln konnte •
In Kassel war aber auch das sehr wichtige Komikerfach fast stets aus
gezeichnet besetzt .In der Kurfürstenzeit erfreute sibh der Komiker
und spätere Regisseur Birnbaum jahrzehntelang einer grossen Beliebtheit
beiin Publikum . Birnbaum war vor allen Dingen ein grossartiger Improvi
sator »der es ausgezeichnet verstand »lokale Ereignisse auf der Bühne
unter dem Jubel des erheiterten Publikums wirkungsvoll zu glossieren .
Er musste oft von dem Intendanten gewarnt werden »in seinen Anzüglich
keiten nicht zu weit zu gehen . Aber selbst der Kurfürst konnte sich öle
der komischen Wirkung seiner oft sehr gewagten Spässe nicht entziehen ,
und gehörte daher euch zu seinen Bewunderern. Um so tragischer erschei
nen die Umstände »unter welchen Birnbaum schliesslich Kassel verlassen
musste . Birnbaum*s Unglück war es »eine sehr hübsche Tochter zu besit
zen . In diese hatte sich der älteste Sohn des Kurfürsten Fürst Frie
drich von B anau verliebt . Auguste Birnbaum -»die auch Schauspielerin
am Hoftheater war »kam ohne dass ihr ^ater eine Ahnung davon hatte ,
bei einer Freundin häufig mit dem Fürsten zusammen . Schliesslich er-
fÄfe» der Kurfürst von dieser Liaison und nun nahm für den ahnungslosen
Birnbaum das Schicksal seinenLauf . B ac h den Aufzeichnungen Birnbaum*s,
die seine Gönnerin Amalie Stübenrauch übernommen hatte »ist man über
den dramatischen Hergang der ganzen Affaire genau unterrichtet »die
sich ungefähr in folgender Weise abspielte . Eines schönen Tages wurde
Birnbaum ins Schloss zum.Kurfürsten befohlen . Dort wurde er vom Lan-
desherm mit den Worten angefahren : M Birnbaum , er Kanaille - Toch
ter lassen festnehmen,mein Sohn Filou . Auch einsperren »verstanden ?**