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Jahreszahl als seine eigenhändigen Werke zu beglaubigen.
In der Gestalt der Diana ist Jupiter der Nymphe Kallisto
erschienen und sucht die sinnend »aber doch misstrauisch
dreinschauende Kallisto zu überlisten. Der sonst sehr zum
Derben neigende Rubens hat den delikaten Stoff in überaus
sinniger Weise gestaltet. Mit der ihm eigentümlichen Bra
vour hat er in einer fast schattenlosen Modellierung den
Akt der Kallisto herausgearbeitet. Das Incarnat des nakten
Frauenkörpers leuchtet wundervoll^ man glaubt, unter der
Epidermis das Blut hervorschimmern zu eehen und kann be
greifen, dass Guido Reni, als er Bilder von Rubens zu sehen
bekam, die Frage "Mischt denn dieser Maler Blut unter seine
Farben" nicht unterdrücken konnte. Um dieselbe Zeit im Jahre
1613 als Rubens in seiner malerischen Handschrift einen ge
wissen Höhepunkt und in der Farbengebung eine im Vergleich
zu seinen Frühwerken schon feststellbare Abgeklärtheit er
reicht hatte, ist auch das Bild "Venus, Amor, Bacchus und
Geres", das in der Komposition dem vorgenannten Bilde nicht
nachsteht, entstanden. Auch an diesem Bild tritt die an der
Antike geschulte Formensprache deutlich hervor, wie überhaupt
hier in dem entzückender Spiel der Linien der Einfluss der
venetianisehen Schule, obwohl Rubens schon seit mehreren
Jahren Italien verlassen hatte, noch spürbar nachklingt. Im
Gegensatz zu den übrigen seiner Y/erke in der Galerie hat
hier das^benso meisterhaft angelegte Incarnat erheblich in
der Farbe gelitten. Dadurch dass die feinen Lasuren des In-
carnats durch den Zahn der Zeit zerstört wurden, sind die
blauen Schatten durchgewachsen und haben so den Gesamtein
druck erheblich beeinträchtigt. Aus Rubens koloristisch'
glänzendster Epoche gibt in der Kasseler Galerie das Bild
"Diana mit den Nymphen von Satyrn überfallen" eine ungefähre
Vorstellung. Hier hat Rubens im Incarnat reichlich blaue
Schatten verwendet, aber die malerische Wirkung an di^aem
Bilde wird erhöht durch die ganz deutlich erkennbare Tendenz,
die Konturen verfliessen zu lassen. Wie immer sind bei Ru
bens Einzelheiten ausserordentlich geistvoll gemalt wie z.B.
der kunstvolle Schmuck an den Sandalen der Göttin, der Kopf
des Hundes und die landschaftliche Staffage. Natürlich steht
dieses in grossem Format gemalte Bild, wenn man das Gesamt
werk das grossen Vlamen überschaut, ebenso wie das im ver
hältnismässig kleinen Format gemalte und in der Literatur
als Wiederholung angesprochene Bild "Der trunkene Herkules
von Satyrn und Bacchantinnen geführt" den Meisterwerken aus
dem gleichen mythologischen Stoffgebiet in der Münchener
Pinakothek und anderen berühmten Galerien erheblich nach.
Ein Werk aber, auf das die Kasseler Galerie ein ganz beson
deres Recht hat, stolz zu sein, und das auch bei dem grossen
Publikum viel Interesse findet, ist der auc . um 1613-1614
gemalte "Triumph des Siegers". Mit seiner schöpferischen
Phantasie hat Rubens auch hier eine glückliche Lösung des
mythologischen-allegorischen Inhalts und des eigentlich
abstrakten Themas gefunden. In seiner glänzenden Rüstung
stützt sich der Sieger mit dem Schilde auf einen gefesselten,
in einem braunen Fleischton gemalten Barbaren. Von dem Genius
des Sieges wird ihm ein grüner Kranz als Schmuck auf das
Haupt gesetzt, während ihm von der anderen Seite ein juhger
Genius mit dem Abzeichen der Liktoren, den Fascien, naht.