Full text: Das Kasseler Theater- und Musikleben im Wandel der Zeiten; Im Banne der bildenden Kunst (Band 3, Teil 1)

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der ganz hineingesehen hat, Der Umstand, dass man an den 
Kasseler Rembrandt*s die Linie der Sntwichlung den Künstlers 
von den ersten Anfängen bis .zur höchster Reife ziemlich gut 
verfolgen kann, macht gerade diese Sammlung so ausserordent 
lich interessant und wertvoll. Rembrandt*3 künstlerisches 
Wesen, das sich auch in den Kasseler Werken in voller Klar 
heit zeigt, auf eine einfache Formel zu bringen, ist überaus 
schwierig; wollte man es versuchen, so wird man bei ihm daran 
ebenso scheitern, wie bei allen anderen grossen Künstlern, 
denn diese wären ec nicht, wenn man es könnte. Indessen kann 
man wohl behaupten, dass ein.fein empfundener Realismus in 
fast allen seinen Werken hindurchschimmert. Kr idealisiert 
seine Modelle nicht, Aue* selbst wenn er biblische Stoffe 
malt, vermeidet er es, sie in einer besonders heiligen At 
mosphäre zu gestalten. Wie er Menschen und Dinge sieht, so 
gestaltet er sie; ja, er malt die Typen aus Volke, wie 
es in seiner Empfindung lebt. Die Kasseler Gemälde^vbrandt' o 
geben uns zunächst einen vorzüglichen Überblick hinsichtlich 
seiner überragenden Bedeutung als Porträtist, Gerade in der 
Frühzeit seiner Laufbahn hat Rembrandt gern alte Männer als 
Charakterköpfe bevorzugt,und ohne Frage wirken diese Bilder 
am ergr^i^pndsten. Die Bildnisse kleineren Formats sind, 
wenn manvoeinem Selbstporträt als Zwanzigjähriger absieht, 
ausschliesslich Studienköpfe älterer oder alter Männer,Aus 
diesen von Falten durchfurchten Gesichtern gewinnt man die 
überschau über ein langes Leben, dessen Wechselvolle Schick 
sale sieh Wie Runen in die Physiognomien eirgegraben haben. 
Solch«? Köpfe wirken schon an sich malerisch und sind, wie 
die Maler Zusagen pflegen, ein richtiges '‘Malerfressen", und 
wem nun ein Seelenkenner und Seelerdeuter, wie es Rembrandt 
war, 3ie malt und mit seinem seherischen Tiefblick das In 
nenleben der dargestellten Menschen blosslegt, dann .irken 
solche Bilder um so fesselnder. Aber der ganz eigentümliche 
Zauber seiner Bilder beruht in den wunderbaren Lichtwirkun 
gen, die er hervorzubringen wusste. Kr ist wirklich ein 
"Magier des Lichts". Rembrandts Pinsel gleicht einem Zauber 
stab. Mit ihm gebietet er über den durch das Atelierfenster 
aufseine Modelle fallenden Lichtstrahl mit einer Souveränität 
ohnegleichen und bannt damit wundersame Wirkungen auf die 
Leinwand, Schon an dem oben erwähnten Frühwerk, seinem Selbst 
bildnis - übrigens auch das älteste Rembrandtbild ira Besitze 
der Galerie - ist zu beobachten, wie ihn das Problem de3 ein- 
fallenden Lichts interessiert, wie er es hoch einfallen lässt 
und wie er es teilweise abblendet, um auch hier schon die von 
ihm bevorzugten Kontrastwirkungen des sich in feinsten Kuan- 
cen abstufenden Helldunkels zu erreichen. Diese Bestrebungen 
zeigen sich schon viel offenkundiger in den Studienköpfen 
der ehrwürdigen Greise, die dem jug ndliehen Meister ein 
Lieblingsgegenstand seines Pinsels waren. Mit ihrer zerklüf 
teten Oberfläche bieten solche Köpfe dem ei-fallenden Lichte 
mehr Widerstände als die glatte Oberfläche jugendlicher Ge 
3ichter,und dadurch wird die malerische Wirkung wesentlich 
erhöht. Sehr wirksam gestaltet Rembrandt auf den Churaktor 
köpfen der alten Männer auch das Mattwerdet' der Augen. Das 
Bild seines Vaters, der ihm in den Juge dtagen ebenso wie 
seine Mutter sehr häufig hat Modellsitzen müssen, zeichnet 
sich durch besondere Frische aus. Rembrandt*s genialer und
	        
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