Full text: Das Kasseler Theater- und Musikleben im Wandel der Zeiten; Im Banne der bildenden Kunst (Band 3, Teil 1)

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in dem ich mich redlich um ihr Verständnis bemühte. 
In den großen Bildergalerien soll uns. das künstlerische 
Schaffen einer Epoche oder mehrerer Epochen einer Kation 
oder verschiedener Nationen sozusagen in einem Spiegelbilde 
gezeigt werden. Wenngleich die Kasseler Galerie dieäe Aufgabe 
vielleicht nicht in einem 30 umfassenden Maße löst, wie es 
die großen Berliner, Münchener und Dresdener Galerien tun 
mögen, so birgt sie doch, soweit die niederländische Malerei 
des 17. Jahrhunderts in Betracht kommt, eine so reichhaltige 
Bildersammlung der flämischen und holländischen Schule, daß 
sie den vorgenannten Galerien in diesen Schulen weit überle 
gen ist. Mit ihren 21 Rembrandt*s allein rangiert sie neben 
der Eremitage in St. Petersburg überhaupt an^der Spitze aller 
großen Galerien und neben dem reichen Besitze an Rembrandt's 
nennt sie noch den wertvollen Schatz von etwa 12 Rubens und 
12 van Dyk's, 12 Jordaens, 7 Prans Hals, 21 Wouvermann's ihr 
eigen, ohne der vielen anderen niederländischen Mei3ter wie 
Brouwer, Tenier, Ostade, Lastmann, De KeySer, TerBorch, 
Hat so harr, Jan Steen, Metsu, van de Velde, van Goyen, Jacob 
cle Ruisdael, Snyders, Potter Hondecoeter, de Heem, Waenix 
und anderer zu gedenken. Hier in Kassel bot sich mir aller 
dings eine selten.e Gelegenheit, wenigstens die niederländi 
sche Malerei des 17* Jahrhunderts in ihren vornehmsten Ver 
tretern gründlichst zu studieren und meine theoretischen 
Studien durch das vortreffliche Anschauungsmaterial, das 
die Kasseler,für die einzelnen Meister so typischen Gemälde 
bieten, zu vertiefen. Die im Jahre 1911 geschaffene Neuord 
nung der Galerie, die der derzeitige Direktor Gronau durch 
führte, trug nicht unwesentlich dazu bei, die einzelnen Mei 
ster noch eindringlicher kennenzulernen. Durch das Umhängen 
der Bilder wurde eine .größere Übersichtlichkeit erzielt,und 
die systematisch durchgeführte Neuordnung brachte endlich 
eine alte, oft gehörte Klage, daß man die Kasseler Galerie 
besuchen könne, ohne den Eindruck mitZunahmen, daß sie eine 
der bedeutendsten RembrandtSammlungen sei, zum Verstummen. 
Bilder, die man wirklich kennen lernen will, müssen in eine 
gewisse Isolierung gebracht werden, denn die Masse der viel 
fältigen Eindrücke bei jedem Besuch einer Galerie mutet dem 
Auge wie dem inneren Auffassungsvermögen nicht zu wenig zu. 
So war also die systematische Neuordnung durch Gronau unbe 
streitbar ein grosses Verdienst. Der Raummangel wird es 
selten erlauben, die Bilder so aufzuhängen, dass sich das 
Kunstwerk mit seinem inneren Leben dem Anschauenden in rein 
ster und vollkommenster Harmonie erschliesst. Nicht immer 
kann man für jedes grosse Meisterwerk, damit es in säner 
Wirkung von anderen in seiner Nachbarschaft nicht erdrückt 
wird, ein stilgemässes Kabinett schaffen, wie es z.B. in 
Dresden für Piaffael’s 3ixtinische Madonna der Pall ist. 
Gerade weil mich die in Kassel hängenden Rembrandt' sehen 
Meisterwerke in der Erkenntnis echter malerischer Werte 
unendlich gefördert haben, will ich ihrer zuerst gedenken. 
Durch diese Rembrandt’0 schulte ich meinen Geschmack- sie 
schwebten mir stets als Maßstab vor, wenn ich sie mit den 
Werken anderer Meister verglich, denn nicht am Mittelgut, 
sondern nur an den vorzüglichster 'Werken, die die künstle 
rische Gestaltungskraft genialer Menschen hervorgebracht
	        
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