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sonst am Alten konservativ und pietätvoll^esthaltenden Kurheesen nach
grösserer Bewegungsfreiheit in allen geistigen und sozialen Verhältnis
sen. Zudem hatte die französische Invasion unter Jdröme neben manchen
schädlichen Wirkungen dmch dazu beigetragen ,den Kasselanernifiber viele
Rückständigkeiten »die ihnen im Alltagsverlauf früherer “eiten viel
leicht garnicht so sehr zum Bewusstsein gekommen waren , den Blick zu
schärfen . Dabei hat aber die ureigne hessische Stammeseigenart natür
lich auch im 19 ten und 2o ten Jahrhundert kaum eine grundlegende Än
derung erfahren .
Auf geistigem Gebiete blieb daher der Beitrag , den hessische Schöpfej:
kraft beispielsweise zur schönen Literatur beisteuerte ,von geringer
Bedeutung »ja , selbst die Aufnahmefähigkeit hierfür hielt sich in ver
hältnismäßig en^en Grenzen. Wie schon im 18ten Jahrhundert fand in wei
teren ^ressen lv esonanz nur das t was mit der Geschichtswissenschaft , ing
besondere mit der heimatkundlichen Forschung ,mit der Jurisprudenzund
mit den naturkundlichen Disziplinen mehr oder weniger zusammenhing .
Aber als in Kurhessen die Verfassungskämpfe die politischen Leiden
schaften entfesselten »wurden die meisten in Kassel vorhandenen geis
tigen Kräfte von der sich nun freier entfaltendenPublicistik absor
biert . Diese war zeitweise sehr aggressiv und schuf im Kasseler £u-
blikum langentbehrte Sensationen, ^abei waren die als”markanteste “^Ru
fer im Streit " auftretenden Pmblicisten und Politiker nicht durchweg
Kasselaner noch Hessen.
Geistesgeschichtlich interessant sind auch die Kämpfe ,die sich nach
Sfer Aufklärungszeit auf religiösem und kirchlichem Gebiete in Kassel
zwischen den Gläubigen ,dem Dogma ergebenen ,und den Aufgeklärten
enspielten .
Will man also in einem interessanten Querschnitte das Kasseler Geis
tesleben - wie es sich weiter entwickelte - kurz skizzieren »dann wird
man in einem Gange._durch d a.s 19 te und 2o te Jahrhundert versuchen müs
sen »einzelne die Menge überragende Persönlichkeiten ins rechte Licht
zu rücken . Um sie gruppierten sich dann wieder Kreise anderer geistig
interessierter Männer und Frauen und wasen geistigen Anregungen und
Kräften von solchen Gruppen ausstrahlte »wurde dann von breiteren Be-
völkerungskreisenaufgenommen . Aber auch der Persönlichkeiten ist zu
gedenken # die Schöpfer neuer Bildungsinstitute wurden und maßgebend
an dem Entstehen neuer wissenschaftlicher Vereinigungen beteiligt wa
ten »jener Institute und v ereinigungen , die sieh neben den aus der
landgräflichen Zeit übernommenen Einrichtungen zu behaupten wussten.
In den erstell drei Jahrzehnten des 19 ten Jahrhunderts wurde ganz be
sonders der Kreis geistig interessierter Menschen , der sich um die
Brüder Grimm 1 'sc harte »zu einem geistigen Mittelpunkt Kassels »wie er
daselbst später kaum jemals wieder in die Erscheinung getreten ist .
Zu diesem Kreise gehörten vor allen Dingen ihr einstiger Mitschüler
Ernst von der m alsburg »der weniger als Dichter sondern mehr.als Über
setzer des Öalderdm literargeschichtliche Bedeutung gewann,ferner
junge Künstler wie der Bildhauer Werner Hehschel »der besonders eng
mit den Brüdern Grimm befreundet war »der Historienmaler Ludwig Sigis
mund Ruhl »dessen jüngerer Bru3er Julius »der als Architect bedeutend
war »mehrere jüngere »geistige Anregung suchende Offiziere wie von
Radovvitz »Freiherr Wilhelm vtbn Verschnür , r Alexander von Boyneburg ,
Karl Sigismund Freiher Waitz von Eschen , ^'reusch von Buttlar und an
dere mehr . Auch der Brüder Grimm eigner Schwager »der spätere Staats
minister Damiel Hassenpflug suchteäm Anfänge seiner Laufbahn Fühlung
zu diesem literarisch-schöngeistig' eingestellten Kreise .
Was die Brüder Grimm für Kassel »wo sie schon als Schüler des Lyceums
jendjahre verbrachten »bedeuteten »ist sehr schwer in einem
Überblick einigermaßen erschöpfend zu würdigen . Wäre es gelun
dauernd an Kassel zu fesseln »dann hätte durch sie diese Stad
die beiden Bruder mit allen ^asern ihrer ganz der hessischen
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an der
Heimat zugewandten ^erzen hingen »auf dem Gebiete der Germanistik ein