Seine militärischen -Neigungen erschöpften sich darin ,dass er in
seiner kleinen ,aber für sein Land noch viel zu grossen Armee einen
völlig nutzlosen Gamaschendienst betrieb . Die persönlichen Eindrük-
ke die ein Reisender in den ersten Jahren des 19 ten Jahrhunderts
von der inzwischen kurfürstlich gewordenen Residenz gewonnenhat ,
unterstreichen vieles von dem Vorhergesagten und wennsie omch auf
den ersten Blick übertrieben erscheinen könnten, drückt sich in ih
nen doch die Stimmung aus »welche die damalige Kasseler Atmosphäre
bei Fremden hervorrufen mochte. In Fischer's Reise, von Leipzig noch
neideiberg im Herbst 18o5 heisst es :
.... . M Anmut »Gesellligkeit ,die Gaben der Musen sind spärlich zu
geteilt . Selbst in Kassel bemerkt~man wenig Sinn für Kunst und
Wissenschaft . Fremde Gelehrte und Künstler erhalten nur schwer
Zutrittin den hiesigen Häusern. Die offene gastf reundlichj* zuvorkom-
3achsen^Thüringer und Rheinländers sucht man vergebens
so die Regierung , denn beiläufig gesagt ,es ist falsch
dass die Regierung den Charakter eines Volkes umstimmen oder gar un
terdrücke# könne. Auch in den despotischen Staaten schafft sichdar;
Volk die Regierung . Ei# wahrhaft ffeies Volk kann nie tyrannisiert
werden . Die hessische Regierung hat den Charakter ihres Landes ,
streng ernst militärisch, Loher ihre Liebe zum Militär ,die in einem
so kleinem Staate fast bis ins Lächerliche geht . In Kassel ist fast
jeder dritte Mensch ,den man auf der Strasse begegnet ,ein Blaurock.
Las muss den Bewohnern dieses ohnedies kärglich ausgestalteten Lan
des zur Last fallen und ist überdies zwecklos .
mende Art des
Wie die Leute
Kunst und Wissenschaft stehen übrigens in Kassel wie überhaupt in
Hessen eben nicht in sonderlichem Flor • Y/oher das kommt,mag jeder
leicht^erraten. Dass das Land nicht unfruchtbar an Genien ist ,weiss
der Gelehrte und Künstler . Es fehlt aber an Aufmunterung ,an frei
em freudigen Zusammenwirken glücklicher Kräfte • Ler falsche militä
rische Geist verscheucht die Musen ,der wahre nicht ,der da weiss,
warum und v/ofür er das Schwert an der Seite trägt
Zieht man das rege geistige Leben unter den Landgrafen Moritz , Wil
helm IV. ,Karl und Friedrich II. zum Vergleich heran, dann müsste
man bei einem Streifzuge durch das Kasseler Geistesleben in kurfürst
lichen Zeiten fast verzagen . Er käme einem beinahe wie eine trostlo
se Wüstenwanderung vor ,wenniman nicht doch hier und da auf einige
Oasen stossen würde . Trotz dem Fehlen jeglicher Anregungen und Unter
stützung von seiten des Hofes fanden sich doch in vornehmen Familien
des Bürgertums und des Adels Kreise ,in denen sich die geistige Kul
tur einer besonderen Pflege erfreute .
Alles,was sich im 18ten Jahrhundert auf reistigen,kulturellen und
politischen u ebiete noch im Ansatz zeigte »also erst sprosste und
keimte ,das sollte im I9ten und ?o ten Jahrhundert sich zur vollen
Entwicklung entfalten »wenn auch nicht gleich alle Blütenträume reif
ten . Bindungen und Beengungen der mannigfaltigsten Art »die im 18ter
Jahrhundert das Individuum noch in Pesseln schlugen »verloren allmäh
lich ihren Sinn,insbesondere als von Frankreich her der Ruf nach Frei
heit , Gleichheit und Brüderlichkeit auch nach Deutschland drang »die
Geister aufhorchen liess und überall dort gerade den grössten Wider
hall fandwo immer noch die absolutistischen Neigungen der Fürsten
sich allen freiheitlichen Bestrebungen ihrer "Untertanen " -Bestrebun
gen »die nach der französischen Revolution eben nicht mehr zu unter—
drücker^varen - entgegenstellten .
Trotz aller Abriegelung seines Landes von allen ihm schädlich dünken
den Einflüssen konnte derletzte Landgraf und erste Kurfürst es nicht
verhindern »dass die neuen ^ensclihei tsideen auch in : Hessen— Kassel
Fuss zu fassen begannen^und schliesslich auch Eingang fanden. Bei al
ler Anhänglichkeit an dos angestammte Herrscherhaus strebten auch die