Full text: Streiflichter auf das wirtschaftliche, geistige und gesellige Leben Kassels (Band 2)

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dauernd wandelte »ja, wie kultiviert unsere Vorjahren in der Heimat wie 
in fremden Ländern in der farbenfreudigen Ausstattung ihrer 7/ohnraur®e 
waren »das alles offenbart sich dem interessierten Besucher dieses Mu 
seums . Im 16 ten und 17 ten Jahrhudert fand man in Schlössern ,Burgen 
Palästen und Patrizierhäusern als Wandbekleidung kunstvoll ausgeführte 
Ledertapeten vor . Auf Gold -und Silbergrunc trugen sie als Bildschmuck 
Blumen »Früchte »Arabesken »Ornamente wie phantastische Fabeltiere . 
Gegen Anfang und Mitte des 18ten Jahrhunderts kamen die Stofftapeten in 
Mode und zur allgemeinen Anwendung . Es waren leichte ^ewebe »meist Sei* 
dentapeten »aber auch Wachstuchtapeten . So lösten Woll- und Vel urta- 
peten die schweren,oft ganz düster wirkenden Ledertapeten ab . Auch auf 
diesen Stofftepeten erscheinen Pflanzenmotive mit Ornamenten »Medaiilonsl 
Stillleben »romantischen Landschaften »ganzen Sagen - und Heldendarstel-| 
lungen 0 Je,&egen Ende des 18 ten Jahrhunderts wendete sich der Geschmac 
sogar ganzen Tapetengemälden zu . In reichster Auswahl bietet wie gesagt 
das Museum prächtige Musterbeispiele für die kulturgeschichtli chjint~res- 
aanten Geschmacksrichtungen der verschiedenen ^eiten . So sind Beispiel 
weise die Räume des Rokok:Schlösschen Wilhelmsth3l vielfach mit Wachstuc 
t' *t*n »die noch auf dem Wege des Handdruckes hergestellt wurden »ausge 
stattet. Meistens tragen sie als Aufdruck Blumenschmuck und die damals 
sehr beliebten Chinoiserien . Ehe man sich für die Tapetenherstellungjder 
für den Zeug-und Kattundruck angewandten Methode bediente »wurden die 
ersten Papiertapeten »die auf die Stoff »insbesondere Wachtuchtapeten 
folgten »auch mittels Handdruck hergestellt »bis man dann spater infolge 
wesentlicher Verbesserungen ^n den Papier- und Lruckmaschinen^u der-Mas 
senfabrikation überging »mit der in künstlerischer Beziehung aber auch 
ein Niedergang Hand in Hand ging . Muster der von Arnold hergestellten 
bemerkenswerten Handdrücke und Velourtapeten aus dem Sommersitz der rä~ 
fin Reichenbach »Ledertapeten aus dem Schlosse Heydau »Pekingtapeten 
aus dem Schlösschen Wilhelmsthsl »Pepiertapeten aus dem Hause des Frei 
herrn Waits von Eschen hinter dem Spohr&enkmal sind natürlich in dem Ta- 
petenmueeum zu finden »ebenso wie die mit den schönsten Landschafts bil 
dern und dem prächtigsten Blumenschmuck versehenen Papiertapeten »die 
schon im Anfänge des vorigen «Jahrhunderts hergestellt wurden und für die 
für damalige Zeit schon weit vorgeschrittene Fabrikation zeugen’. Lass 
d'-s lapetenmuSeum insbesondere bei Fachleuten und Kunstgewerblern allge 
meine Bewunderung erregt »bedarf wohl kaum besonderer Hervorhebung . 
Wie das Luxusbedürfni3 der lendgräflichen und teils .auch kurfürstlichen 
Hofhaltungen die Kasseler kunstgewerblichen Wirtschaftszweige günstig be 
einflusst heben mag »so sind zweifellos die ausgesprochenen Neigungen 
der früheren Landgrafen für die Realwissenschaften und das aussergewöhnl 
che Interesse »das sie ,insbesondere die Landgrafen Wilhelm IV. Karl und 
Friedrich II* für die mechanische Kunstfertigkeit bekundeten »der Erfin 
dungstätigkeit auf allen diesen ^ebieten sehr förderlich gewesen und•es 
ist daher nicht zu verwundern »dass sie nach Kassel nicht nur ausserge- 
wöhnlich geschickte Mechaniker sondern auch praktisch und erfindungs- 
begrbte Gelehrte der astronomisch -physikalischen Wissenschaften zu zie 
hen wussten • Die beredteste Kunde von dem Hochstande der u eschickllcN- 
keit der in Kassel in früheren Jahrhunderten vielfach im Dienste der 
Landgrafen tätig gewesenen Uhrmacher und Mechaniker gibt die hochinteres 
sante Sammlung astronomisch -physikalischer Instrumente im hessischen 
Landesmuseum » die selbst bei Kasselanern viel zu wenig bekannt ist. Bei 
unserer heutigen vervollkommneten ^echnik kann sie natürlich nur noch 
ein mehr historisches Interesse beanspruchen . Als aber ein Reisender 
namens "entzmann im Jahre 1757 Kassel besuchte und die Uhrkammer »wo da 
mals diese Instrumente aufbewahrt wurden »besichtigte » war die Wirkung 
die diese Uhren und' mechanischen Kunstwerke auf den Beschauer ausübten, 
verblüffend wovon auch seinx Reisebericht Zeugnis ablegt . 
... ” Die rarste ist - so schreibt er - welche der Landgraf Wilhelm IV 
von Jobs Phirgus (anscheinend der latinisierte Name von Jobst Bürgi) hat 
verfertigen lassen . Liese hält man für die einzige in ihrer Art. Sie 
sc.nlaget eile Stunden »zeiget den Lauf der Sterne »die Jahreszeiten , 
Sur-. . d Mondfinsternissen und alles was ein Astronomus auf ein^lobo
	        
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