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ders hingewiesen auf das Sinken des Leinenhandels , einst eine reich
haltige Quelle der allgemeine*! Wohlhabenheit ,welcher eine ^enge Men -
sehen beschäftigte ,auf die Erschwerung des Transitohandel^ durch ho
he, zum Teil sehr zweckwidrige Durchgangszölle und auf die Vernichtung
jedes anderen Verkehrs mit dem Auslande (Unter Ausland verstand man
damals wohl vornehmlich die angrenzenden deutschen Nachbarstaaten )
durch die schädlichen und ijür ein kleines ,gleichwohl zerstückeltes,
mit vielen Gren -en versehenes Land besonders -unpassende Mauthsperren.
Dadurch wurden dem Lande reiche Hilfsquellen entzögen , eine künstli -
che Teuerung geschaffen und andererseits der stets zunehmende Geld
mangel befördert . Auf die Gewerbe wirke dies alles - wie es in der
Bittschrift hiess- höchst nachteilig zurück . M an führte auch heftige
Klage über die Militärökonomie ,welche für die Militärmenagen im Gros
sen ausserhalb des Landes einkaufte ,wodurch sich nur einige Lieferan
ten bereicherten »während die ärmeren Bürger der erwähnten Klassen 4
leer ausgingen . Noch nachteiliger wirkte sich die Bekleidung und Uni
formierung des Militärs aus »die lediglich» von in Militär stehenden
Handwerkern gegen eine mäßige Erhöhung des Soldes besorgt wird »ja ,
die Militärhandwerker arbeiten noch heimlich für städtisches Publikum.
Die wachsende Industrie sei schädlich für den kleinen Nandwerker und
der Wechsel der Mode bringe das sonst blühende Gewerbe zum Erliegen »
Man klagte ferner über die Konkurrenz der Zwangsarbeit und Y/erkhäuser.
Schliesslich schlug man sogar vor - wohl in der Hoffnung dadurch eini
germaßen für,das stagnierende Erwerbsleben entschädigt zu werden - iie
Landesuniversitat von Marburg nach Kassel zu verlegen »während Mar
burg der Sitz des Oberappellationsgerichtes und des bis dahin in Mel
sungen untergebrschten Porstlehrinstitutes werden sollte . Erst eis
mit der Gründung des deutschen Zollvereins die Zollschranken zwischen
den zohlreichen deutschen Kleinstaaten fielen »kamen die in obiger Ein-
gäbe zitierten verkehrshemmenden PurGhgangszölle und Mauthsperren in
Portfall und die Schlagbäume auf den Landstrassen verloren endlich ihr
Daseinsrecht . Vor der Zollreform gab es selbst in Preussen nicht we
niger als 60 Maut -und Zollgrenzen und man kann sich lebhaft vorstiel,
len »welchen Belästigungen durch die häufige Durchstöberung seines Ge-^*
päcks der damalige Reisende in der Postkutsche ausgesetzt gewesen seii
mag. Erst als die §£ijutzung der Schienenwege in Deutschland allgemein
wurde und die Eisenbahnen den L eESO nen- und Masseng'ixerverkehr an sich
rissen »verödeten allmählich die Landstrsdsen und gingen ihrer einsti-^
gen Romantik verlustig »aber auch in dieser Entwicklung hinkte das
ehemalige Kurhessen bedenklich nach . Erst dreizehn Jahre nach der im .
Jahre 1835 erfolgten Eröffnung der Nürnberg- Fürther Ludwigsbahn »ja ,
nachdem schon mehr als 5ooo Kilometer Schienenwege in Deutschland es
g:.b »wurde die erste Eisenbahn von Uerstungen über Kassel nach Karls
hafen »die Freidrich Yyiinelm Nordbahn in Kurhessen^dem Verkehr über
geben und der ungleiche Kampf des Pferdes mit der Dampfkraft wurde nun
auch bald in Kurhessen zu Gunsten der letzteren entschieden, ^as einst
so blühende Fuhirmannawesen kam umso schneller zum Erliegen »je engma
schiger das Sisenbahnnetz wurde , In der Kasseler Bürgerschaft wurden
schon zeitig der Wert und die Bedeutung der Eisenbahn als neues Verk
kehrsmittel erkannt »denn schon im Jahre 1833 wurden in Kassel zwei
Eisenbahnvereine gegründet »die es sich zuir Aufgabe machten »den Bau
von Eisenbahnen zu propagieren und zu fördern »ohne aber bei der Regie
rung die wünschenswerte Unterstützung zu finden »denn der .damals all
mächtige Staatsrat Scheffer vertrat ganz ernsthaft die Ansicht »dass
Kurhessen als ackerbauendes £and der Eisenbahn nicht bedürfe . Als
besonders eisenbahnfeindlich erwiesen sich die konservativen Ständehsui
mitglieder Oberst von Ochs und Oberstleutnant Bahr . Sie mussten sich
daher manche satirische Anwürfe und Anspielungen gefallen lassen . Un
ter Anderem kam ein Zuckerbäcker »der die eisenbahnfreundlichen gewerb,
liehen Bevölkerungskreise vertrat auf den Einfall ,die beiden ausge
sprochenen Eisenbahnfeinde plastisch darzustellen und seine Plastik
aU3 Marzipan die er natürlich ausstellte »durch den Vers :
"Die Eisenbahn in ihrem Lauf
hält weder Ochs noch Bär nicht auf .”