Full text: Streiflichter auf das wirtschaftliche, geistige und gesellige Leben Kassels (Band 2)

die "eeclesia militans " auf dem Plane erschien und es war interessant 
zu beobachten ,wie die jedenfalls Homeffer in rhetorischer Beziehung 
überlegenen Kanzelredner bei der %nge den gleichen tosenden Beifall 
errangen ,als kurz vorher der Vorkämpfer des Atheismus ,<ler Gründer 
einer neuen persönlichen Religion . Nichts bewies klarer als gerade 
diese Tatsache die Ungeeignetheit des Forums ,vor das Hornefffer für 
die Erörterung solcher delikater Fragen getreten war. Unter den Vor 
trägen der sich an der Diskussion beteiligenden Privatleuten ist mir 
besonders der grosse Eindruck im Gedächtnis geblieben »den die geist 
vollen Ausführungen des Dr Tienes »dieses universell gebildeten Mannes 
der früher auch m. W. Theologie studiert hatte ,hervorrief . Leider 
verlor Dr T. einmal mittenin seinem Vortrage den ^aden und schwächte 
seine zuerst so eindrucksvollen Ausführungen zum Schlüsse etwas ab. 
Wie man sich auch zu den Themen im Allgemeinen stellen mochte ,durfte 
man doch nicht verkennen »dass zwar mit grosser fieidenschaf tlichk^eit, 
teilweise aber auch mit^tmefsittlichem Ernste aul beiden Seiten um 
die höchsten Güter des Geistes gerungen wurde . Aus Notizen »die ein 
gewisser Wörlitz über Sen ''erlauf der Horneffer - Vorträge damals ge 
sammelt hatte und in Druck erscheinenliess,wie aus Zeitungsberichten 
und eignen Erinnerungen ist es mir möglich ,aus der damaligen ,sehr in 
teressanten Diskussion zwischen Homeffer und den Theologen »die auch 
heute noch nichts an Aktualität eingebüsst hat , Einiges hier wieder 
in Erinnerung zu bringen • 
Der in Kassel sehr beliebt gewesene,inzwischen schon verstorbene Pfar 
rer Stein wer - wie ich mich'zu erinnern glaube - der erste von den 
Theologen »der Horneffer sehr geschickt und in ruhig gemessener Weise 
entgegentrat . Stein »ein sehr freidenkender Mann, stellte zunächst 
die grossen Abweichungen Homeffer's von Nietzsche fest. Er bezeiehnete 
z. B. Nietzsche als Antisozialist und ANtidemokrat . Er feindet nicht 
nur die Bindung durch Religion an ,auch diejenige des Individuums dure] 
den Staat ist ihm unerträglich . Schrankenlose Freiheit billigt er aber 
nur denen zu »die dazu reif sind . Er ist Aristokrat . Horneffer sagt: 
" Zum Glück lügt unser deutsches Volk nur in der Religion ."Indessen 
hängen Millionen am Christentum und stehen in den tJemeinden ,obwohl sie 
sich ihre eignen Gedanken über Dogmen machen und sich eine gewisse frei- 
e Stellung zu diesen wahren . Wir wissen , es sind viele mit dem Dög-~ 
ma ganz zerfallen . Las ist aber nicht erst heute so . Auch in der rö 
mischen Kirche ist dies der i'all. Diese ^eute mögen »wenn sie in der 
Kirche bleiben ,von Herrn Horneffer's Worten getroffen werden . Der 
Vorwurf gegen das gesamte deutsche Volk aber sei unverantwortlich. Hor 
neffer wünscht durchaus persönliche Religion und meint ,das sei nur mög 
lich »wenn man der Kirche den Rücken kehre und sich fürseine Seele wäh 
le »was einem beliebe . Aber das ist und war ja aller Theologen Ideal. 
Es ist uns ein Greuel ,dass unsere Kirche so viele Gestalten mitschlepp! 
Horneffer hat ferner gesagt : Ein jeder soll Keligionsstifter sein. 
Damit ist nicht gesagt »dass jeder seine b e iigi on erfinden soll. Das 
ist nur dem Genie gegeben. Wählen soll man sich seine Religion ." 
Das verlangt aber auch der Protestantismus . Uns fällt nicht ein zu sa 
gen : Hier ist das Dogma y ctas musst Du glauben . Wir sagen : Hier ist 
es ; Wählt ! Wer es wählt »der hat es zum persönlichen Eigentum . Wir 
wissen »dass der religiöse Glaube »den ich frei wähle ,nie gebunden 
sein kannin toier Form . Dann nahm Pfarrer Stein zu den Ideen Horneffer 
's über die Aufnahme der griechischen Klassiker - in Übersetzungen - 
in allen Schulen anstelle des Religionsunterrichtes für Kinder von 
9-14 fahren Stellung . Er meinte ganz richtig »dass »wenriman diesen 
Kindern den Plato »den Sophokles »den Thukydides gäbe »würden sie ihn 
nicht verstehen .Schliesslich hat Horneffer auch zum Austritt aus der 
Kirche aufgefordert und diesen als weltgeschichtliche Tat gefeiert^ . 
Stein erwiderte darauf »dass sich Horneffer täusche ,wAnn er glaube * 
eine religiöse Bewegung hervorrufen zu können ; ohne etwas wie eine Ge 
meinde . Schliesslich erklärte Stein in vieler Beziehung Nie&tzsche's
	        
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