Die von den Brüdern hinterlassene Büchersammlung gab zunächst den
Grundstock zu der von ihnen gestifteten städtischen Bibliothek ab, die
in dem ererbten Hause der verstorbenen Brüder seit 1863 zuerst unter
gebracht war . Denn wechselte ihre Unterkunft ständig . Seit $872 be
fand sie sich in einem für 39oo Mark ermietfcfcen Hause (Villa Sambarth),
indem sie 1874 zum ersten Male auch dem Publikum zugänglich gemacht
wurde . Von diesem Zeitpunkte an wuchs der Bestand der Bibliothek zu
sehends nicht nur durch neue Ankäufe sondern auch durch Schenkungen
seitens Privater und des Magistrates wie durch die Verschmelzung mit
der alten aus etwa 9ooo Banden bestehenden städtischen Schulbibliothek,
Im Jahre 1882 kam auch noch die Bibliothek des Gey/erbevereins hinzu.
Im Jahre 1881 erfolgte der Umzug in eine auf der x errasse gelegene
Villa ,1884 in ein anderes auf der gleichen Strasse befindliches Haus,
bis sie. dann im Jahr® 1899in das geräumige erste Stockwerk des Hauses
Obere Königsstr 2 verlegt wurde »dessen zwanzig für ihre Unterbrin
gung bestimmten Räume sich trotzdem bald als völlig unzulänglich er
wiesen^. Erst im Jahre 19o5 fand endlich die dauernd auf Wanderschaft
begriffene Bibliothek in dem bereits erwähnten Prachtbau ein ihr wür
diges Bauerheim. Heute umfasst diese Bibliothek mehr als 2oo ooo Befin
de wie vielleicht 65oo Handschriften . Nicht für das einfache Lese
bedürfnis der Masse ist sie bestimmt. Dafür sorgen verschiedene Volks
büchereien und Lesehallen (-die erste Kasseler Volksbibliothekist übri
gens von Friedrich Oetker gestiftet worden - ) . Nach dem Willen der
Brüder Murhard sollten nur Bücher wissenschaftlichen Inhalts geeignet
zum Unterricht und zur Belehrung,nicht aber unterhaltende oder belus
tigende Lektüre angekauft erden . Nach den Bestimmungen ihres Testa
mentes sollte in den Fächern der Literaturgeschichte und Geschichte
in den Wissenschaften der Künste und der Bibliographie ,in der Biblio
thek die möglichste Vollständigkeit erreicht werden. Besonders aber
sollten die Staatswissenschaften ,Nationalökonomie und alle damit zu
sammenhängenden Disciplin«n bevorzugt werden . Die Wanderer Arbeitslo
kale sollten mit den besten Ölgemälden aus ihrem ^schlösse dekoriert
werden . Es war auch schon vorsorglich in dem Testamente bestimmt wor
den »dass die neugegründete städtische Bibliothek für des Publikum
erst geöffenet werden durfte »wenn sie zu einer angemessenen Grösse,
. also zu einem Bestände von etwa 1o- 12ooo Bänden angewschsen war.
Schliesslich war im Testament auch die periodische Verleihung und Aus
setzung von Preisen bis zu 1ooo Thalern für Lösung von Aufgaben vor
gesehen »die das Wohl der Menschheit »die Fortschritte der Bildung und
Gesittung wie die Förderung der Humanität behandeln . Wie sich die eins--
I tigen Landgrafen durch die Gründung und den Ausbau der Landesbibliothek
um Kassels geistiges -^eben unvergängliches Verdienst erworben »so ha
ben die einfachen Kasseler ^entiers »die Brüder Murhard ,von denen be
sonders der eine als Schriftsteller in der gelehrten Welt .Deutsch
lands Ruf und Ansehen genoss , durch ihre grossarti tJ e Stiftung zum Geis
tesleben der Stadt einen Beitrag geleistet,der ihnen in der Nachwelt
bis in die spätesten Zeiten ein dankbares Andenken bei allen geistig
und wissenschaftlich interessierten Bewohnernjder Stadt Blassei und des
Landes überhaupt sichern wird .
| In der ausgezeichnet»ganz nach modernen Prinzipien organisierten mit
geräumige* Lesehalle und prächtigem Vortragesaal Äusgestatteten Mur
hard ’sehen Bibliothek »die die wohl an sich bedeutendere Landesbiblio
thek in wundervoller Weise ergänzt »sprudeln wie bei ihrer grösseren
Schwester die Quellen »aus denen das geistige feben Kassel*s zum gros-
| sen Teile seine Nahrung empfängt und wenn in den Schätzen ihrer Biblio
theken gweiesermaßen der Geist einer Stadt sich kristallisiert »dann
| dürfte es in Deutschland angesichts der grossen Bedeutung »zu der'in
diesem d ahrhundert diese beiden Institute engewachsen sind »wenige
| Städte gleicher Grösse geben,die wie Kassel den intellectuellen Schlech
ten seiner Einwohnerschaft so überaus reiche Möglichkeiten zi
geistigen Betätigung bieten «,