Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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haben dürften »Vorbehalten ,bis es dann wieder in neuerer# Zeit für 
Konzerte und Kunstausstellungen neu entdeckt wurde . Doch'kehren wir 
auf den Friedrichsplatz zurück , den wir uns zur Zeit seiner Entste 
hung nicht in der heutigen Gestalt vorateilen dürfen . Ursprünglich 
war er mit schönen gärtnerischen Anlegen bepflanzt , aber unter der 
westfälischen Regierung wurden diese Anlagen beseitigt und der Platz 
für Militärzwecke und Paraden hergerichtet . Seinen Namen trägt der 
Platz von seinem eigentlichen Schöpfer , dem Landgraf Friedrich linder 
auch das grandiose Museum Fridericianum , die heutigeLandesbibliöthek, 
nach den'Plänen des SimonLouis du Ry erbauen liess . Früher barg die 
ses Museum wohl die meisten Kunstschätze , die man .letzt im hessischer. 
Landesmueeum vereinigt findet . Aber einer Kuriosität gilt es noch zu 
gedenken , die gegen das Ende des 18 ten Jahrhunderts das Interesse 
des das Museum besuchenden Reisenden erweckte .Ein Chronist jener 
Zeit schreibt darüber : .... das merkwürdigste aber darinnen ist d: 
Folge derer sämtlichen Durchlauchtigsten Landgrafen von Philipp den 
u rossmütigen u.s.w. nebst Landgraf Carl , alle in Wachs poussiert ,in 
- u ebensgrösse dasitzend und insgesamt in der Kleidung ihrer Zeit von 
Kotf bis zu Fuss vollständig angezogen . Diesengegenüber sitzen ihre 
emahlinnen auf die nämliche Weise in Wachs und gänzlich nach dem je- 
zeitigen Costüm gekleidet ,frisiert und aufgesetzt , welches dann in 

ein sehr wichtiger Gegenstand bleibet , seine Neugierde von der 


Veränderung des geschmackes~und der Moden sattsam zu befriedigen 
Bass man aus den'alten Herren und ihren Tarnen , deren Wachsbilder spä- 
ter nämlich im Jahre 1825 auf höchsten Befehl zur Einschmelzung, kamen 
Lichter gegossen und ihre Kleiner vertrödelt hat ,ist wohl nuKeiner 
von den Dingelstedt'sehen sarkastischen Scherzen . Nach einer glaub 
würdigeren Version sind die Kostüme dieser Wachsfiguren dem damaligen 
Hoftheater überwiesen worden , wo sie , wenn nicht inzwischen zu Stau 
zerfallen , wohl heute noch säuberlich für kostümkundliehe Zwecke auf 
bewehrt werden . 
Noch zu Lebzeiten Friedrich II. wurde ihm ungefähr in der Mitte des 
Friedrichsplatzes das denselben ungemein zierendeDenkmal , das den 
prunksüchtigen und sehr lebenslustigen Her scher in etwas byzantinischen 
Auffassung als römischen Imperator darstellt ,von dem Bildhauer Nahl 
im Jahre 1783 gesetzt . Ursprünglich war die Bildsäule so aufgestellt 
dass Friedlich II. seine bedeutendste Schöpfung , das Museum Friderich 
num ansah . Ein Jahr lang nur konnte sich der Landgraf an seinem Stand- 
bilde erireuen , dann starb er und er wäre sicherlich erschrocken wem 
man ihm vor seinem Tode noch geweissagt hätte , dass ihm auch in sei- 
ner späteren marmornen Existenz die Wechselfälle des Lebens nicht er 
spart bleiben würden . Tatsächlich war es ihm nur 25 Jahre vergönnt ur 
angefochten auf seinem Sockel zu stehen . Dann musste er , von dem~Ur 
surpator Jeröme und seinen Kreaturen in seinem prächtigen Aufzuge mit 
scheelen Augen angesehen , herunter von seinem Postamente . Jetzt sol 
te dort der Ruhm Napoleon's eine sinnbildliche Verherrlichung finden 
nad.nachdem Friedrich II, den Platz auf dem Sockel geräumt hatte , er 
schien an seiner Stelle darauf ein prächtig hergerichteter Emoirethrc 
Als aber der Thron Jéröme's zu wackehn anfing , wackelte auch dieser 
Empirethron und aäs Jdröme dann in schleuniger Flucht Kassel und sein 
Land weniger geräuschvoll verliess , als er einst eingezogen war , da 
stürzte auch dieser Empirethron zusammen . Vielmehr er löste sich in 
seine Bestandteile auf , nur 
um an anderer recht bescheidener Stelle 
wieder eine teilweise Auferstehung zu feieren . Der schönen goldenen 
Kuppel war es beschieden , einer Kegelbahn auf der Wilhelmshöher All ee 
als Bedachung zu dienen , der Thron selbst folgte Jérome nach Paris , wo 
er ihn aber der Buftetdame eines r ariaer Cafés mit dem stolzen Namen 
"zu den tausend Säulen " ab treten musste . Dieser diente dann der 
Buffetdame als bequeme Sitzgelegenheit , wo sie in ihrer Art als Herr- 
scherin in ihrem eiche thronte .- Sic transit gloria mundi ! - 
Im Jahre 1818 kam Friedrich II. wieder zu seinem Recht , denn Kurfürst 
Wilhelm I . setzte ihn wieder auf sein Denkmal , 


	        
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