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gesunden Instinkt heraus und in dem dunklen »Drange , sich des rech- I
ten Weges auch In Kunstdingen bewusst zu werden , schon das Bestreben
geltend sich in den geistigen und musikalischen Gehalt der einzelnen
Werke mehr zu vertiefen , die schwieriger zu verstehenden öfter zu hö- i
renimd dadurch dis mir die nicht so klar zu Tage liegenden Schönhei- i
ten besser zu erschliessen . Die Manier mancher junger Leute dem , was I
man nicht gleich erfasst , cus dem Wege zu gehen und es einfach abzu- !
lehann , machte ich mir nicht zu eigen und liesshir also nicht die Mü_
he verdiressen , die das Eindringen in die Tiefen eines genialen Wer- i
■ces manchmal verursacht • So war also von je der Wunsch in mir rege» i
durch häufigeres Hören den musikalischen Wert auch solcher Werke , die I
sich nicht sofort dem Verständnisse aufdrängen ,zu erkennen und rieh— I
tig zu v/ürdigen . Einer Belehrung von fachmännischer Seite , die na— |
türlich den Weg zu diesem Ziele oft wesentlich erleichtert , musste ic
entraten und war so ganz auf mich selbst angewiesen . Dafür bewahrte I
ich mir von vornherein ein® verhältnismäßig selbständiges, aus eigner
Anschauung und GeschmackserZiehung gebildetes Urteil und verlor schon I
zeitig je en Autoritätsglauben ,den man leider in gebildeten Kreisen I
in iallen Prägen der Musik und der bildenden Künste nur zu häufig an- !
trifft • Zur Zeit meiner Jugendjahre übte wie ja auch heute noch auf I
die meisten musikalischen Kreise die Wagner 'sehen Musikdramen eine
ungeheure Wirkung aus und es war nicht zu verwundern , daß3 ganz be- I
sonders die begeisterungsfähige »musikfrohe Jugend vondem Tonrausch , , I
in den die Tagner'sehe musikalische Sprache mit ihren schwellenden und I
wogenden Harmonien jeden versetzt , der ihr willig folgt ,vollständig I
ergriffen wurde . So ging es natürlich auch mir ♦ Ohne je die Theorie I
des Musikdramas studiert zu haben »ohne damals gedruckte Partituren
entziffern zu können ,liess ich die Wagner 'sehe Musik frei von dem
Einflüsse vorgefasster Meinungen auf mich wirken und wurde von dem er- i
sten Augenblicke , selbst, da wo ich die geheimnisvoll erscheinenden
Tiefen seiner oft schwierigen Harmoniefolgen noch nicht ganz erfassen I
konnte , von dieser Musik gerade in meinen Jugendjahren unwiderstehlich
angezogen . Die ersten Aufführungen seiner populäreren Werke wie Lohen-
grin , Tannhäuser »fliegender Holländer und Hienzi »die frei von aller
Problematik und schon durch den dramatischen Schwung ihrer Handlung
selbst auf weniger Musikelischeihre grosse Wirkung nicht verfehlen ,
waren natürlich für mich Erlebnisse von einer so mächtigen und tiefen
Eindruckskraft , wie sie sich in gleicher Weise in späteren Tagen nichf
wieder zeigten . Gern will ich zugeben »dass die schwieriger zu verste
henden Wagner 'sehen Werke wie Tristan und Isolde , der Nibelungenring
un^d in gewissem Sinne auch die Meistersinger mich nicht gleich in dem I
Maße gefesselt haben wie die erstgenannten »aber ich erfasste die gros- I
sen Schönheiten auch dieser Werke schon intuitiv beim erstmaligen Hören
und strebte dann durch häufigeres Hören derselben danach ganz in ih
ren Geist einzudringen . Die Einstellung zu diesen Wagmer 1 sehen Sei !
Schöpfungen , alaj zu Tristan , dem Ringe und sogar zu den Meister
singern war selbst uu jener Zeit also in den neunziger fahren des vo- i
rigen Jahrhunderts in musikalischen und musikliebenden Kreisen teilwei- I
oe noch ziemlich ablehnend und Verständnis für diese V/erke wurde viel- I
fach dort affectiert , wo tatsächlich Langeweile empfunden wurde . Bei
der stets herrschenden gesellschaftlichen Heuchelei gestanden viele
nicht ihr Unvermögen , dem Genie Wagner 's folgen zu können , ein und I
da Wagner in der Gesellschaft ein dauerndes Gesprächsthema zu jenen i
Zeiten bildete , föurde einfach mitgeschmachtet und Entzücken selbst von
solchen geheuchelt »die , wie es in der Kirche bei langweiligen Predig- I
ten oft geschieht , sich während der Wagner 'sehen Vorstellungen »wo I
sich..das Hauptinteresse auf den Orchesterpart konzentrieren soll und i
die Handlung auf der Bühne manchmal stockt ein Nickerchen leisteten • i
Selbst bei den Meistersingern , die heute als eines der populärsten !
Werke gelten und sich allgemeinster Anerkennung erfreuen »habe ich oft i
von den hohen Regionen des Olymp herab beobachten können wie biedere I
Hamburger Senatoren , die stets mit der grössten Ehrfurcht von Wagner I
sprachen , sich ein kleines Schläfchen leisteten . Im Theater waren die
se Art Leute also grundehrlich ,