Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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verdanke sowohl im klassischen wie im moderen Schauspiel ,seien vor 
allen Dingen eine der berühmtesten Schauspielerinnen ihrer Zeit ge 
nannt^ppancigca Ellmenreich »ferner der Schauspieler Otto und dessen 
Gattin Frau Otto -Körner und der Abgott der Hamburger Backfische Carl 
Wagner als jugendlicher Held.fiDer hohe Rang »den die Hamburger Oper 
in der Kunstwelt in jener Zeit einnahm »konnte auch der grossartigen 
einzig dastehenden Ensemblgkunst im Hamburger Thaliatheater unter 
Maurice auf dem Gebiete des Lustspieles und des modersnen Schau 
spieles zugesprochen werden • Schauspiele mittragischer Note fand man 
zwar kaum im Spielplan des Thaliathaters . Hier herrschte nun einmal 
die heitere Muse . Lustspiel »Posse und Konversationsstück wurden 
hier vornehmlich gepflegt und das Zusammenspiel war hier zu einer 
selten wieder erlebten Vollendung gediehen • Die hier vereinigten 
Schauspielkräfte schienen lediglich auf ihrefcöeignetheit für den 
Hollenkreis »den das ^epertoir des Thaliatheaters erforderte »aus 
gesucht zu sein. Die Leistungen dieser Künstler ,von denen ich nur 
die prominentesten wie Robert Nihl »Plashar »Bozenhard und Frau»die 
Komiker Max und -Grahm » die Damen Lotte Witt und Frau Frank- Witt 
nensnen will »suchten sicherlich in Deutschland ihresgleichen .Kei 
ner trat vor dem Anderen hervor • Hier herrschte nicht das Pollini' 
sehe Starsystem • Das Zusammenspiel der einzelnen illustren Kräfte 
war so fein auf einander abgestimmt »dass wirklich Vorstellungen 
von seltener Geschlossenheit zu stände kamen .Ob das Thaliatheater 
heute noch das gleiche Niveau hält »vermag ich nicht zu beurteilen . 
Vielleicht war schon mit dem Tode von Maurice die Blütezeit dieses 
Musentempels vorüber • Die meisten ersten Kräfte wie Robert Nihl der 
Komiker Max und verschiedene andere gingen zu dem später gegründeten 
deutschen Schauspielhaus »das unter Baron von Berger wohl seine Glanz 
zeit erlebte ȟber . Von dem damaligen Berliner ^esiaenztheater wur 
de ein ähnliches geistvolles und wirkungsvolles Ensemblespielauf dem 
Gebiete des französischen Lustspiife&s gepflegt . Die bedeutendste Zug 
kraft dieses Ensembles war der wegen seiner ungewollten Vis comica 
höchst originell wirkende Richard Alexander . Auch die bekannte Schar 
Spielerin Prasch— Grevenberg gehörte eine Zeit lang — soweit ich 
mich erinnere - zu diesem Ensemble »das fast jedes Jahr im Karl 
Schultze Theater in 3t Pauli,wo sonst nur die Operette heimisch ,in 
Hamburg zu gastieren pflegte. Das französische Lustspiel war gewöhn 
lich immer nach demselben Schema zurechtgezimmert • Der Inhalt selbst 
war höchst nichtig . In vielen Variationen wurde immmer das Thema 
von der bösen Schwiegermutter abgewandelt • Ehescheidungskniiie »übei 
raschungen im Schlafzimmer und ähnliches waren die Haupteffecte ,wo-~ 
rauf die aneinandergereihten »oft unglaublich komisch wirkenden Si 
tuationen hinausliefen • Der meist mit pikanten Zweideutigkeiten ge 
würzte und nicht gerade sehr tiefschürfende Dialog gab jedenfalls 
den Schauspielkräften genug Gelegenheit »in einem Brillantfeuerwerk 
ihre rhetorischen Künste zu offenbaren • 
Nach mehr als 45 Jahren ist es ein schwieriges Beginnen »sich ein 
einigermaßen klares Urteil über die Eindrücke der Jugend auf jedem 
Gebiete zu bilden . So tief und nachhaltig sie in jener Zeit der % 
leichten Fassungskraft und grossen Begeisterungsfähägkeit gewesen 
sein mögen »so schnell wurden sie oft durch andere »die wieder mit 
grösserer Sensation wirkten »verdrängt In der Wahl der Genüsse war 
man eben in jener glücklichen Zeit durchaus nicht e ,-ehr kritisch . 
Jedenfalls wurde alles»was sich an Interessantem im HamburgerThea- 
terleben darbot »sei es in der Oper ,im Schauspiel oder auch im Be 
reich der leichteren Muse ,eben ausgiebig genossen .Die Oper wurde 
natürlich stets von mir bevorzugt . Über die gesamte Opernlitera 
tur wollte ich einen Überblick gewinnen • Bei meiner anfangs noch 
nicht sehr weit entwickelten Musikkultur verstand ich in der ersten 
Zeit am besten die Werke mit leicht eingänglicher Melodik • Hier 
war begreiflicherweise meine Genussfreude am allergrössten . Wenn 
auch dann noch das rein Stoffliche mich anzog ,also der Bühnenvor— 
gang spannende Momente barg » dann fand ich nichts Beglückenderes 
als solche genussreichen Opernvorstellungen . Aber über den momen 
tanen Genuss hinaus machte sich bei mir aus einem
	        
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