Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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rasche^ihn zu den höchsten Würden führende Laufbahn beschieden war. 
Der Landgraf Friedrich II. , der ihn sehr schätzte , ernannte ihn im 
Jahre 1772 zum General und Staatsminister . Nach dem Tode des Landgra 
fen Friedrich II. trat er in preussische Dienste zurück , da ihn der 
Geiz des Nachfolgers , des Landgrafen Wilhelm IX , des späteren Kur 
fürsten Wilhelm Iö erwiderte und er unter ihm nicht dienen wollte. 
In Preussen bekleidete er den ^ang eines Generalleutnants und wurde 
Gouberneur der Festung Wesel , bis er dann seinen Lebensabend auf sei 
nem Gute Windhatüsen verbrachte . Obwohl ein höchst belehrter Herr galt 
er doch allgemein in der Bevölkerung als Sonderling , aber ein Mensch 
von tiefer Bildung und philosophischer Veranlagung muss er trotzalledei 
gewesen sein. Seine letzte Ruhestätte fand er auf seinem Gute am Wald 
rande unter schönen alten Bäumen . In einer kleinen als Ruine erbauten 
Kapelle liegt er bestattetund die Inschrift , die auf seiner Grabstätte 
eine Sandsteinplatte trägt , hat er selber verfasst . Aus ihr spricht 
ein feiner Geist, der uns noch heute Achtung und 'Wertschätzung abringt . 
Sie lautet : 
Grabmal 
Bes ersten Schlieffen 
Der dort die einsamen Dächer besass. 
In ihrer Stille ,im sie umschattenden Haine 
Dem lästigen Wandel des Hofes , den Friedensmühen der Krieger 
So oft als möglich entwischt , 
Fand er , vom Schicksal begünstigt , 
Vielleicht auch durch Denkart geführt, 
Mehr süsse , als herbe Stunden , 
Dankbar für jene , gefasst auf diese 
Ruhig über die Zukunft . 
Der alte General von Schlieffen , dessen Absteigequartier in Kassel, 
sein Palais , das frühere Hotel König von Preussen auf dem Königsplatz- 
war^liebte die Einsamkeit und wohl nicht allzusehr die Menschen .Srine 
Liebe wandte er dafür mehr der Tierwelt zu und verfiel auf die bizarre 
Idee , in seinem Parke eine Schaar Affen anzusiedeln . Diese vermehrte 
sich r^asch und führten ihrer ureigensten Natur getreu ein wildes Leber 
in dem Parke , in dem sie frei umherliefen . Wahre Verheerungen richte 
ten sie in dem Parke selbst und in den Gartenanlagen an , rissen Obst 
von den Bäumen , neckten und belästigten die Menschen . Ihr gütiger 
Herr ,dem das tolle Treiben seiner grossen Affenfamilie wohl gefiel ui 
ihm in seiner oft gesuchten Einsamkeit viel Zerstreuung brachte , sah 
seinen Lieblingen alles nach und die treue Anhänglichkeit , die seine 
vierbeinigen Freunde dafür bekundeten , rührte ihn offenbar . Wenn er 
nach Kassel herunterritt ,begleitetnn sie ihn bis an den Waldrand und 
blickten ihm sehnsüchtig nach und ihr Jubel kannte keine Grenzen , wer 
er dann wieder zurückkehrte, aber neben anderem Unheil , das sie anficl ^ 
ten und das dauernd zu Klagen seitens der Bevölkerung Anlass gab , üb« 
fiel schliesslich einer der Grössten aer Affen ein erwachsenes Mädchei 
auf dem Wege nach Häufungen , ein anderer grosse# Affe raubte ein dr< 
Wochen altes Kind des Gutsverwalters und erstieg damit das -^ach eines 
Neubaues . Von dem französischen Koch des Generals , namens ^ebrun , 
wurde es gerettet , indem dieser es mit LiSt unter grosser Mühe und L 
bensgefahr^dem Affen wiederabbjagte . über das Treiben der wüsten afr 
konischen Gesellen war nun die Wut der Bevölkerung aufs Höchste gesti • 
gen und mqn verlangte vom Grafen Schlieffen die Beseitigung der Affen. 
Dieser nun von allen Seiten an ihn gestellten Forderung konnte sich d 
Graf nicht länger entziehen und so wurde schliesslich ihr Todesurteil 
gefällt . Mit einem m ale war aus der Affenkomödie eine Tragödie gewor 
Sas Forstpersonal erhielt den Auftrag,sämtliche Affen abzuscniessen • 
Graf von Schlieffen , dem das Herz zu schwer war und der dem Abschuss 
seiner Lieblinge nicht beiwohnen wollte , ritt nach Cassel herunter 
und'als er später wieder zurückkehrte , schloss er sich drei r ^age ein.
	        
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