Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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sonntäglich wanderten sie mit Weib und Kind hinaus in die freie Natur 
bald nach diesem ,bald nach jenem Dorfe . Sie klommen selbst auf den 
fernen hohen Meissner oder sie fuhren zu Schiff die Fulda hinunter 
durch das prächtige Thal nach dem sogenannten Kragenhof - den Casse- 
lera damals eine völlige Terra incognita . Und wenn sie dann heimkehr 
ten und laut die Schönheit der u egend rahmten und da auch d er König 
mit der Königin auf ihrer lacht - einem Geschenke des Königs von Hol 
land-, jene hegend aufgesucht und sich entzückt gezeigt hatten ,wagten 
sich die Bürger endlich auch hinaus und waren ebenso überrascht wie 
die Fremden . Bald wimmelte es in Katharinenthal , Hofgeismar und Mün 
den ebenso wie auf den nächsten Dörfern von Cass-ler Familien . Grosse 
Gesellschaften von hunderten und mehr Personen fuhren in buntbewimpei 
ten Schiffen den Fluss hinauf und hinunter , stiegen bald hier bald 
dort ans Land und tanzten bis zum hellen Morgen. .. " 
Man darf natürlich nicht vergessen , dass, das Naturgefühl in früheren 
fahren nicht so entwickelt war wie heute • Der Bürger ,insbesondere der 
Städter führte nach heutigen Begriffen ein gar spiesserhaftes Leben. 
Wie dem aber auch sei ,heute liebt der Kassler seine Bergwälder über 
alles .Wen erfasst auch nicht die Seimsucht , die in der Feme winken 
den Berge zu besteigen und sich dort auf den Höhen so ganz dem beglüc 
kendem Kausche hinzugeben , der einen immer überfällt , wenn sich auf 
den mühsam erstiegenen Berggipfeln der Blick nach allefa Seiten wütet. 
Angesichts der scheinbaren Unbegrenztheit des Blickes wüten sich dann 
auch das Herz und die Seele und machen uns empfänglichfür die holdem 
Gaben der ^atur , die sie uns aus ihrem schier unerschöpflichen Füll 
horn freigebig spendet . 
Wer nun gor wie ich 
wohnte und immer mit 
abgetastet hat 
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seit 19o3 sozusagen am Fusse des ^abichttwaldes 
dem Blicke die schönen Linien dieses Bergwaldes 
,der musste schliesslich der Versuchung enheimfallen ,di 
gründlich auszukosten . Und das habe ich redlich getanl * 
^abichtswaldes bin ich jahraus jahrein hin-und hergewan- 
Im Gebiete 
öert • Hier kannte ich die geheimsten Waldpfade , die meistens nur des 
Försters Fuss betritt. Kein Bergwald in Kassel*s Umgebung ist mir daher 
so vertraut und so lieb in den fünfundzwanzig Jahren, die ich an sei 
nem Rande wohnte , geworden , wie gerade der unvergleichlich schöne und 
en landschaftlichen Szenerien so abwechslungsreiche Habichtswald . Hat 
te ich erst einmal die für kurze Spaziergänge bevorzugten Wilhelmshöher 
Parkwege verlassen , dann war mein Sinn stets darauf gerichtet , direct 
auf dem kürzesten V/ege oder auf reizvollen Umwegen nach dem Kamme zu ge 
langen . Die meisten meiner über den Wilhelmshöher Park hinausführende! 
Spaziergänge hatten fast stets den Herkules zum Ziel . Ob man durch den 
Park steil hinauf links über die Löwenburg oder rechts auf breiten 'We 
gen bis zum Wirtshaus unterhalb der Kaskaden und dann auf Waldpfaden 
nach dem Herkules oder ob man über den Asch und Hüttenberg oder oberhall 
des Druseltals am Xrähhahn vorbei gewissermaßen von hinten auf die Kamm 
höhe gelangte , immer boten die meist schattigen Wege reichen Naturge 
nuss. Nicht leicht trennte man sich aber vonder entzückenden und umfas 
senden Fernsicht , die men ambesten von der Plattform des Octogon ge- 
niesst . Wenn man den Blick nach dem Horizont von Osten her schweifen 
lässt ,gewahrt man zunächst den Reinhardswald mit dem Gahrenberg . Bei 
Wetter taucht rechts vom ^ahrenberg in der Ferne sonar 
ganz sichtigem 
der Harz mit dem Brocken auf , wüter rechts sieht' 
hohen Hagen bei Dransfeld und daran schliesst sich 
Weiter rechts ragt der langeKamm des ^eissners mit 
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r 
en 
man den Bramv/ald, 
der KaufungerWald an, 
wM dem vorgelagert eh 
Hirschberg hervor und davor streckt sich die Söhre hin . Ist die SJcht 
besonders günstig ,dann lugt rnn der weiteren Ferne auch der Gipfel des 
Inselberges öU3 dem ThüringerWal£e hervor • In westlicher Richtung 
kommt der Quiller mit dem Heiligen Berg und schliesslich sogar der Ahl- 
heimer bei Rothenburg zum Vorschein , aber zu den Füssen breittn sich 
in sanft gewellter Form die herrlichen Waldflächen des bichtswaIdes
	        
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