Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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dafür mag 
Ihr Brief vom 
ein Brief Katharina's an Laetitia z : 
16 April kam zur rechten Zeit 
Kasseler 
Biese 
Schwiegermutter war , 
gen :*Ma ch^re Maman , ^ 
denn ich war bereits recht besorgt und traurig so lange keine Nach 
richt von Ihnen zu erhalten • Sie haben mich in dieser -Beziehung sehr 
verwöhnt und wenn eine längere ^eit vergeht »ohne einen Brief von Ih 
nen zu t v: 1 werde ich von allerhand Befürchtungen gepeinigt und 
ängstige mich »dass Sie entweder erkrankt oder dass Ihre u efühle für 
mich erkaltet sind . Sie wissen ,ma ch^re maman , dass ich Sie wie ei 
nes Ihrer eignen Kinder liebe und dass meine Zärtlichkeit danach ver 
langt , von Ihnen wiedergeliebt zu werden ." 
Und dass diese in dem Briefe zum Ausdruck gebrachten U e fühle auch wir 
lieh echte waren und keine konventionellen Redensarten , dafür kann 
der 1 agebucheintrag Katharina*s nach Laetitia 's Abreise als untrüg 
licher Beweis gelten : 
Ler Abschied war mir sehr schmerzlich . In Anbetracht des Alters 
unserer Mutter und der bewegten Zeiten ,in denen wir leben ,lässt sicJ 
schwerlich sagen , wann wir sie Wiedersehen werden . Ihre liebe Geseli 
c ist eine Wohltat für mich gewesen * Sie ist klug und hat viele' 
ausgezeichnete Eigenschaften und da ich mich.meist auf^mich selbst ve: 
lassen muss , war mir ihre starke Stütze recht beglückend . " 
Man hat Laetitia zum Vorwurf gemacht , dass sie ) als sie das 
Museum besuchte »gesagt haben soll - M Ici il faut voler - " . 
unnoble Bemerkung soll aber nach einer einigermaßen zuverlässigen 
Quelle der Königin entschlüpft sein und von dieser sicherlich nur 
scherzhaft gemeint gewesen sein . Bie Korsen waren je bekanntlich 
in den erpberten ^ebieten der Ansicht, dass sie berechtigt waren.alles 
was nicht niet - und nagelfest war , wegzuführen . Kassel hat ja in 
dieser Beziehung mit seinen grossen Kunstschätzen trübe Erfahrungen 
machen müssen . Unter diesen Umständen war es verständlich , dass Jö- 
röme sich seiner Mutter , die ihre Schwiegertochter bei ihrer Ankunft 
reichlich beschenkt hatte , sich erkenntlich zeigen wollte und da dies 
für ihn der billigste Weg war , nahm er einfach bei dem Museumsbesuch 
eine in Silber gefasste Achatdose und gab sie seiner Mutter zum Ge 
schenk , während er einer reizenden Hofdame als ^avalier einen mit 
einer^Gemme geschmückten Goldreif an den Finger steckte . So mag auch 
manch anderer wertvoller Gegenstand aus dem Museum zu jenen Zeiten ver 
Schwunden sein. Doch nun wieder zurück zu unserem Filmgeschehen. Bega 
ben wir uns also zu der bereits gespanntwartenden ^enge nach dem 
Schlosshotel , an dessen Portal der grosse Korse mit seinem &efoi 0 e 
vorbeidefilieren sollte . In der Nähe des Schlosshotels arbeitete mit 
betäubenden Geräusch die wie ein vorweltliches Ungeheuer anmutende 
Lichtmaschine , die das für die Nachtaufnahme erforderliche Scheinwer— 
ferlicht hergeben sollte . Ja , es war ein richtiger Marinescheinwer 
fer , der eine Stärke von 125ooo Kerzen aufwies und von den neugierige. 
Kesselanern gerieten Manche zufällig in seinen Lichtkegel . Darüber 
aber sichtlich befriedigt entschlüpfte einem Witzbold der Ausruf "Mä 
sinn helle " was natürlich tolles ^elächter auslöste • Nun aber war de: 
grosse Augenblick gekommen . ertönt der Ruf " Wache heraus '.'Unter 
Führung ihres Officiers stürzten 3o Mann in der kleidsamen weissen Uni 
form der röe Jerömes heraus , schultern das {Jewehr und präsentierte] 
unter Trommelwirbel . General B Q pp f gefolgt vön Kürassieren in ihrem 
Panzer sprengt vorbei und gleich dahinter kommt der Vierspänner , in 
dem in vorzüglicher 1#i aske Napoleon , der seinen jüngsten Bruder Jeröme 
besuchen will ,herangefahren . Bequem in die Kissen zurückgelehnt mus 
tert er beim hellen Schein der Magnesiumfackeln im Vorbeifahren die 
Wache und nickt den braven Grenadieren väterlich zu . Ihm folgt dann 
eine in bunten . ja glänzenden Uniformen gekleidfcfce der Mar- 
schälle , Officiere und eskortierenden Gruppen. Rasch auf der '‘“‘eine 
wand wirbelt der gan. e Zug an den Augen vorüber , aber da man den'Auf-' 
zug vier -oder fünfmal wiederholte , konnte sich das ganze Bild .-das. 
einem Märchenspiele gleichjJ^romes Reich wie er hervorzauberte 
fest einprägen . Bie phantasmagorie war verrauscht und die ^enge ver-
	        
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