Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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entlohnt , Nunwar aber der Wettergott in diesem denkwirdigenMonat s 
recht launisch und die für die Herstellung des Films auf etwa ^Wochen 
berechnete Zeit dehnte sich wegen des i regnerischen Wetters ,auf 
beinahe 5 Wochen aus , Die Ausführung des Films soll klotziges ^eld 
nach damaligen deutschen Begriffen gekostet haben und man kann-, sich 
leicht vorstellen , wie die Kosten ins Unermessliche stiegen , wenn 
die Aupsenaufnahmen immer wieder wegen der ungünstigen Wetterlage um 
viele A 'age verschoben werden mussten • Wer bber darüber garnicht böse 
war , das werden sihherlich das ganze darstellenae > in dulci jubilo le 
bende Personal und Stecker selbst gewesen sein , bei dem wieder die 
langentbehrte Hochkonjunktur herrschte . Ging man im Park zu jener 
Zeit spazieren , dann wurde man manchmal unversehens Zeuge kleinerer 
Aufnahmen , die nur Episoden in der Handlung darstellten . Hier kam 
mir Jdr3me redivivus oder einer seiner Kammerherren in vollem Gallopp 
entgegengeritten . Bort sah man eine in Jagdkostüm gekleidete Hofdame 
in dem Steingeröll der Jussowanlagen auf Holztauben schiessen , aber 
nur denen , welche Zeit und gute Fühlung zu den Mitwirkenden hatten , 
war es vergönnt , die ganz grossen Aufnahmen mitanzusehen , denn,wenn 
es das Wetter un$ die Windrichtung , die für Abendaufnahmenmit Fackel 
beleuchtung und FeuerwerksVeranstaltungen überaus wichtig waren , 
einigermaßen gestatteten , wurde bei Tag und Nacht gefilmt . An sol 
chen A 'egen besonders war ein kolossaler betrieb im Parke . Im Ballhau 
se , wo die historischen , vom Staatstheater für teures ^eld hergelie- 
henen Kostüme tatergehrächt wären , vollzog sich die Einkleidung des 
darstellenden Personals unter der Assistenz von fieberhaft arbeitenden 
Garderobiers und Garderobieren sowie von Fri^sierkünstlern. Als Men 
schen unserer gei^ traten Darsteller und ^a.rs teile rinnen in das Ball 
haus ein , um im Stile des napoleonischen Zeitalters gekleidet und 
aufgeputzt bald wieder zu erscheinen, begleitet von Neugierigen beider 
lei Geschlechts begaben sie sich dann durch den Park an die" Stellen , w 
wohin sie vofc den Regisseuren gerufen würden . Da wurde auf der Wiese 
vor dem Schlosse ein Ballspiel der Hofgesellschaft inszeniert , an ei 
ner anderen Stelle spielte diese Blindekuh , dann wieder gab es ein 
Wasserfest auf dem Fontäneteich oder eine Trauung in der Schlosskapel 
le der Löwenburg . Dann.fuhr die Hofgesellschaft in historischen °ri- 
giaalwagen oder diesen getreu nachgebi do-t-^ nach dem Rokfekoschlösx- 
chen Wilhelmsthal oder auch nach dem Schlösschen Schönfeld , wo ja 
bekanntlich JdrÖme auch residiert hatte. Schliesslich wurde sogar ein 
Abstecher in die Schwalm gemacht . Als ich einmal zufällig eines Abend 
in den Park ging , merkte ich gleich an der freudig erregten Volks 
menge , dass wieder eine grössere Aufnahme in Sicht war und richtig , 
so war es auch .Der Einzug des grossen Korsen mit steinern Gefolge 
stand bevor . Zunächst empörte sich mein historisches Gewissen gegen 
diese U eschichtsfälschung ; denn weder der Boden Kassels noch derje 
nige Wikhelmshöhe *s ist jemals durch das persönliche Erscheinen des 
grossen Kaisers "geweiht M worden . Das 'Verlangen Jerömes , seinen 
grossen allmächtigen Bruder an der Stätte seines Wirkens zu begrüssen 
war zweifellos nicht allzu gross • Napoleon hatte vielmehr zur Errei 
chung seiner politischen Ziele andere und wichtigere Aufgaben zu lö 
sen als sich persönlich an den Hof JdrÖmes des westfälischen Königs 
von seinen G$fig§$ zu begeben . Zudem wurde er stets durch zuverlässi 
ge Vertrauensleute über alles^was an dem Kasseler Hofe vorging ,genau- 
stens unterrichtet und nicht immer soll er über das , was er da hörte 
entzückt gewesen sein , insbesondere nicht über die grosse Verschwen 
dungssucht seines Brüder&eins • Wohl brachten dann und wann eintref 
fende,brüderlich maiinende Briefe ^apoleon's Jerome wieder zur Besin 
nung , die aber meistens nicht lange anhielt . Nichts aber unterliess 
JdrSme , um den Nimbus seines grossen Bruders dem Hofe und Volke gegen 
über bei jeder sich bietenden u elegenheit hochzuhalten . So wurde auch 
der Geburtstag Napoleons jedes Jahr am 15 ten August mit grösstem Ge 
pränge durch eine grosse Cour und Abends
	        
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