Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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§3. Es soll ausser der gegen den unerlaubten Verkauf und Respective 
Gebrauch des Caffd und der Chocola.de in denen Ordnungen festgesetzt 
ten Strafen der Renunciant , wenn er ein Bauer ist , oder auch die 
Knechte und Mägde , annoch um einen Rthlr , ein Bürger oder auch 
ein LivrcSee Bedient .rum fünf Rthlr. und einer/welcher mehr als ein 
gemeiner Bürg^er ist , jedoch unter den Untergerichten stehet ,um 
1o Rthlr , überhin gestraft ,und diese Geldstrafe dem Benuncianten 
zur -°elohnung gegeben werden . Wonach sich also jedermann in denen 
ihn betreffenden Fällen unterthänigst zu richten hat . 
.Urkuhdlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und beygedruckten 
Fürstlichen Secret - Insiegels 
Cassel d. 5 April 1774 Friedrich 1. zu Hessen ” 
Aber im Kampfe gegen die nun einmal aufgekom&eneGewohnheit des Kaf 
feetrinkens versagte auch die autokratische Macht der früheren hes 
sischen Landgrafen . Um wieviel resignierter~spricht sich der letzte 
Regierungserlass vom 21 Febr. 1789 im Bergleich zu den früheren drs~ 
konischen,mit hohen Strafen drohenden Verordnungen aus . In ihm ist 
nur noch dem Mißfallen des Landesherrn Ausdruck verliehen,” dass 
noch in vielen Lorfschaften wie auch in Städten , denen es nicht ve 
stattet ist»auf eine den Beamten nicht unbekannte Weise Caffee ohne 
Schein getrunken und Krämery damit getrieben wird . ” In diesen 
Erlassen und Verordnungen spiegelt sich ein Stück Pguter alter Zeit 
aus dem 18ten Jahrhundert wieder . 
Zu den häufigen Kaffeesündern gehörte ich natürlich auch und s c mar 
chen schönen Sommernachrnittag habe ich unter den herrlichen Buchen 
bei den Häuschen der Parkaufseher am Ende der Mulangbahn mit einem 
schönen Buche den verführerischen Trank genossen oder wenn mich das 
feudalere Milieu vor dem Schlosshotel anzog , in dieser Umgebung 
meinen Kaffee getrunken . Man möge mir bei meiner Verherrlichung d< 
Wilhelmshöher landschaftlichen Schönheiten diesen kleinen kulturge 
schichtlichen Seitensprung verzeihen . Aber die Kasseler , die die 
Bedeutung des Kaffees, insbesondere des Kaffeeaufgiessens in Wilhelj 
höhe nach ihrem ganzen Werte zu würdigen wissen , werden Verständn 
für meine Extratour haben und die meisten Kasseler , die in jener 
balsamischen Luft den Trank geschlürft haben , werden mir von vorn 
herein Absolution erteilen und nicht bestreiten , dass auch die 
Würdigung des Kaffeetrinkens eine Stelle in meinen Wilhelmshöher 
Impressionen verdient • 
Ähnlich wie noch dem Kriege 187o/71 als durch die #ahl des Wilhelm • 
höher Schlosses als vorübergehenden Sitzn des gefangenen Franzosen 
kaisers nebst seinem G e folge der stille Park in den Brennpunkt wel 
geschichtlichen Geschehens rückte , gewann auch nach dem Ende des 
Weltkrieges Wilhelmshöhe wieder eine gewisse geschichtliche Bedeu 
tung insofern als es als vorletzter oder letzter Sitz des grossen 
Hauptquartiers der Hk eresleitung gewählt wurde . In einem an die ? 
Bürger und Soldaten gerichteten Aufrufe , der von Grzesinski für c 
Arbeiter - und Soldatenrat seligen , aber weniger erfreulichen An 
gedenkens und von Oberbürgermeister Koch für den Magistrat unter 
zeichnet war , wurde dos am 14 Novb 1918 erfolgte Eintreffen des C 
nearalfeldmarschalls von Hindenburg in Kassel angekündigt . Hier v< 
Wilhelmshöhe aus sollte die Zurück!uhrung der noch vorhandenen He 
resformationen sowie die gänzliche Auflösung des ri eeres geleitet 
den . Hindenburg und Lucendorff mit ihren Stäben v/urden zunächst 
Schlosshotel untergebracht und später wurde der Nordflügel des Sc 
ses für die Zwecke des grossen Hauptquartiers zur Verfügung geste 
Man erinnert sich nicht gern jener Zeit >' die uns die grösste Kat 
Strophe brachte , die unser deutsches Volk je erleben durfte , de 
zu dem verlorenen Kriege gesellte sich noch die unsere Lage noch 
kritischer gestaltende Revolution . Hochgefühle , wie sie dieKass - 
lancr einst beseelten , als der gefangene Franzosenkaiser nach
	        
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