Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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ramide steht der herrliche Alcide und schaut,auf der eisernen ^eule 
lehnend.von der luftigen windumbrausten Wetterwarte hinab in das vor 
ihm liegende Tal . Dieser famesische Herkules soll ursprünglich ein^ 
Werk des athenischen Bildhauers Glycon gewesen sein , der in der Nach 
bildung eines Broncewerkes des Lyoippus im Jahre154o in den Thermen 
des Carscalla in Rom gefunden und im Museum Neapel aufbewahrt wurde . 
In einer alten Niederschrift , die auch auf die u erkunft des Herkules., 
Standbildes deutet,heisst es : " Im Palazzo Farnese sah man die Sta 
tue von Hercule auf seiner Kolbe steurend , in mehr als L eben - gros 
se so aus dem Bad des Kaysers Titi Vespasiani anhero bracht worden . ” 
Dass die aus Kupfer getriebene 9 1/4 m hohe und gigantisch wirkende 
Herkulesfigur des Werk eines ihrer Landsleute , des Kasseler Kupfer 
schmiedes Otto Philipp Kuper war , clas hat die Kasseler fast zwei 
Jahrhunderte mit berfüllt ,bis plötzlich 
im Jahre 19oo gelegentlich einer Reparatur nach Wegnahme der^Schädel 
decke man eine kupferne Platte entdeckte , die dem Kasseler Lokalpatri^ 
tismus einennrgen Stcss versetzte , denn nun konnte man die Version 
von der Autorschaft Kper’s nicht mehr aufrecht erhalten , denn auf 
der Kupferglatte war folgendes zu lesen , wie es auch eine später auf 
gefundene e rkunde bestätigte : 
m Carolus Landgraf zu Hessen Hat dieses Bild Machen lassen durch Joh. 
Jacob Anth ni , Ein Goldschmied , Gebürtig Aus Augsburg . I t Ange 
fangen Anno 1714 Und Verfertigt Worden Anno 1717 D 3o N Vo— M 
Als junger Mann an der Herstellung mit gearbeitet, zu haben , blieb als 
einziges Verdienet des Kasseler Kupferschmiedes Kuper übrig . 
Einer der Nachfolger des Landgrafen Carl der Landgraf Friedrich II 
erweiterte~nach des ersteron Tode die Parkanlagen,aber sein sich mehr 
an den französischen Parkstil anlehsnenöer Geschmack hielt nicht mehr 
die grosse Linie seines Vorgängers xjin , sondern er bevorzugte Spiele 
reien aller Art » die unter seinen Nachfolgern wieder zum Teil ver 
schwanden . Der spielerische Geist Bes Rokoko löste den feierlich er 
habenen .aus der italienischen Renaissance erwachsenen Barockstil »dem 
der Landgraf Carl als Kind seiner Zeit zugetan war , in vieler Hin 
sicht ab". Friedrich II. schuf abe? auch das chinesische Dorf Mu- Lanv 
von dem noch der chinesische Tempel und einige Häuschen erhalten erd, 
während anderes , wie die Windmühle » eine türkische Moschee , ein Na 
turtheater ein Irrgarten wieder verschwunden sind . Ein so guter Haus 
hälter , wie es der Nachfolger des Friedrich II. der Landgraf Wilhelm 
II . war , liess sich bei seinen Schöpfungen in Wilhelmshöhe nicht al 
lein von aetsthetischen Rücksichten leitengals er z* B.in Mu- Lang 
eine Ökonomie einrichten liess». Um 1797 herum befand sie v -r •- 
eine -^aiterie , in der 38 Stück Rindvieh, gehalten wurden die jedenfalls 
auf den Wiesen weideten , auf denen heute ie Villenkolonie in Mu— 
Lang steht . In dieser Ökonomie fanden auch Schafe , ParfcreeJagdhun 
de und Packesel ihre Unterkunft . Ob die kleineren Bauten , die im Psi 
ke als Staffage dienten wie die Pyramide des Cestiub , die Eremitage 
des Sokrates - das heutige Birkenhäuschen - das Grabmal des Virgil 
noch unter Friedrich II . entstanden sind »ist mir nicht mehr genau 
erinnerlich , aber es ist sehr wahrscheinlich . A$s diese kleinen Bau» 
werke entstanden »passten sie sicherlich besser in das Landschaftsbile 
des noch nicht bewachsenen Parkes . Heute findet der Fremde sie in dej 
Walddickicht kaum . Vieles hat man wohl aus reiner Pietät nicht ent 
fernt . Hatte zwar die ursprüngliche beshheidene Sehlossanlage Moritz 
des gelehrten in baulicher Beziehung unter dem Landgrafen Friedrich 
nur wenige Veränderungen erfahren . so verschwand doch unter diesem 
Fürsten , der insbesondere bei der Gestaltung seiner Feste ganz dem 
Zeitgeschmäcke de3 Rokoko folgte » die frühere x ark-einsamkeit 
Den lonct so stillen Park erfüllte nun ein bis dahin ungewohntes Le 
ben • Hebern der schon angedeuteten toten Staffage » die aus mythd>10£ 
gischen Kuuiositäten und sogar aus angemalten Holzkulissen bestand » 
belebte dieser manchen bizarren Ideen zugängliche Fürst den Park durc 
Menschen , die sozusagen als Statisten in allerhand Verkleidungen im
	        
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