Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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beiera genannt — in Kassel ein * Durch das Eingreifen der kgl.preus- 
sisehen Regierung und ihres Kommissars Generalleutnant von Peucker hoff* 
te man dieBundesexecution überflüssig machen zu können ,sber dies war 
nicht mehr zu erreichen • Einen Tag vor Einrücken der Beiern und Öster 
reicher zogen die preussischen Bataillone nach Warburg ab und die Bevöl 
kerung Kassel *s musste den bitteren Kelch der Bundes execution bis zur 
A *eige auskosten . Die fremden Truppen bekamen praktisch bei der vollkom. 
men°ruhigen Bevölkerung nichts zu tun . Appelle undParaden waren an der 
Tagesordnung » Der Bevölkerung aber wurden grosse LNsten auferlegt durc] 
die Einquartierungen , die besonders drückend für die renitenten Bürger 
und Beamten waren , Zu ihnen zählten ausser den Blirgergardöoffizieren 
Aerste , Advokaten »ja sogar Geistliche und Lehrer . Ihnen allen wurde 
die Auflage gemacht für 1 o - 3o Mann Wohnung und Beköstigung zu beschaf 
fen, was für sie eine Strafe bedeutensollte . Dem ernannten Zivilkommis^ 
ser Graf von Leiningen war die Aufgabe gestellt ,durch entsprechende 
Maßnahmen , die ins Stocken geratenen Staatsmasefeine wieder leidlich 
in Gang zu bringen und die kurfürstliche Autorität vied'erherzustellen. 
Dies erforderte kaum besondere Anstrengungen , denn die Mehrzahl der 
Bürger hatte sich nicht in den Strudel republikanischer Umtriebe hinein, 
ziehen lassen» , denn trotz aller Antipathie gegen Hassenpflug bestand 
bei den Bürgern wenig Neigung zur Abschaffung des Kurfürstentums .Bei 
der kleinen'fast ganz einflusslosen Elique der republikanisch Gesinnten 
erklang damals häufig eins Schlacktgessng ,3er sich ^ohl recht revolu- 
tionär^anhörte ,sber bei dem grössten Teil der Bevölkerung kaum eine 
nennenswerte Resonanz fand . 
Vivat hoch die Republik ! 
Unsern Kurfürst hohen wir dick! 
Weil er sich so schlecht betragen , 
Wollen wir ihn zum Teufel jagenl" 
Eine Deputation prominenter Bürger , die damals den Kurfürsten in Wil 
helmsbad aufsuchten , machte den Versuch ,ihn -wieder zur Rückkehr nach 
Kassel zu bewegen . Während die Deputation in Wilhelmsbad weilte ,rich 
tete der sehr einflussreiche Volksmann Obergerichtsanwalt he^ei einen 
offenen Brief an den Kurfürsten , worin er ihn inkräftigen Worten 
und mit allem Freimut aufforderte , "das Otterngezücht -womit er Hassen 
pflug und seinen Anhang meinte — fprtzujagen ,wie einst auch Jesus 
Christus die Geldwechsler mit der Geissei aus dem Tempel trieb . " 
Am 26 December endlich hielt der Kurfürst wieder seinen Einzug in Kas 
sel ,aber der Empfang seitens der Bevölkerung , die sich grsbesstill 
verhielt , war recht eisig.Rrst am 31 Juli 1851 verliessen die sigenann^ 
ten Strafbaiem Kassel , wo es ihnen recht gut gefallen hatte . Eine 
Besserung in dem v erhältnisse» zwischen Landesherrn und Bevölkerung 
trat aber erst allmählich wieder ein . Immerhin bleibt es verwunderlich 
dass der letzte Kurfürst nach seiner Entthronung im Hessenlande eine 
beträchtliche Anzahl ihm treu ergebener Anhänger behielt . Er muss also 
neben seinen Eigentümlichkeiten doch auch manche schätzenswerten Eigen 
schaften besessen haben . Zwar war er wie sein Vater und Grossvater 
von leidenschaftlichem Temperament .konnte bei den geringsten Anlässen 
in Wut geraten , die er an fremden Leuten ausliess und die oft lange 
aadauerte . In seinem Lande durfte nichts ohne seinen Willen geschehen 
Gegen jeden , der seine Herrscherlust verletzte , ging er rigoros vor. 
Mit seinem Übelwollen und seiner Härte traf er aber oft ganz Unschuldi 
ge . Viele brave xi essen mussten seinetwegen ihre Heimat verlassen und 
3 ich in der Fremde eine neue Existenz aufbauen . ä'ös aber .vieler für 
ihn einnahm*war sein sehr starkesusgeprägter Rechtssinn der ,oouohl er 
sich nicht scheute ,selbst das Recht zu brechen , nicht duldete. ,dass 
den unter ihm Stehenden Unrecht^geschah. Auch der bei anderen Fürsten-* 
höfen vorherrschende Lgpotismus und persönliche Protection konnten un— 
ter seiner Regierung nicht gedeihen 0 In der Politik aber war und olicb 
er kurzsichtig und starrsinnig ,
	        
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