Sonderabdruck aus der „Zeitschrift für Instrumentenbau“, Jahrg. 37, Nr. 28
vom 1. Juli 1917.
Redaktion und Verlag von J>aul de Wit in JCeipzig.
Jubelfeier im Hause
Ludwig Hupfeid A.-G. in Leipzig.
„Freunde, treibet alles mit Ernst und Liebe, die beiden
stehen dem Deutschen so schön!“ Im Sinne dieser Goethe-
schen Aufforderung haben die zwei bedeutenden Führerpersön
lichkeiten, denen vorliegende Zeilen gewidmet sind, das Höchste
geleistet. Wir reden von Generaldirektor Ludwig Hupfeid
und seinem vertrauten Freunde und Helfer Direktor Otto
Tetzner, den beiden verdienstvollen Leitern der Ludwig
Hupfeid A.-G. in Leipzig.
Am 1. Juli 1917 erfüllen sich 25 Jahre ihres gemein
samen Wirkens, denn an dem betreffenden Tage des Jahres
1892 übernahm Ludwig Hupfeid das Haus, das seinen Namen
trägt. In gesegneter Arbeit führten die hervorragenden Kauf
leute das Unternehmen, dessen bescheidene Ursprünge bis
zum Jahre 1882 zurückgehen, zur reichsten Blüte und sicherten
ihm die Anerkennung der ganzen Kulturwelt. Mit Genug
tuung dürfen sie zurückblicken auf die weite Zeitspanne, die
einer mühevollen Wanderung gleichen mag. Nun aber, auf
der Höhe, vergoldet die Sonne des Erfolges den weiten Weg.
Den Ehrentag der Jubilare mit rauschenden Festen zu be
gehen, das widerspricht dem Geiste der Zeit, aber auch ihrem
eigenen bescheidenen Wesen. Es gehört zu den Charakter
merkmalen dieser tüchtigen Männer, daß sie allen lauten Hul
digungen abhold sind. Für die Geschicklichkeit mancher In
dustriekapitäne, sich in Szene zu setzen, fehlt ihnen jeder
Sinn. Lebten wir in friedlichen Zeiten, so würden freilich
ungezählte Glückwünsche aus allen Zonen einlaufen, doch die
Brücken zwischen den Völkern sind abgebrochen, und niemand
vermag das Geheimnis zu lösen, wann aus den Gewölken der
ungeheuren Kriegskatastrophe der ersehnte Friedensbogen
aufsteigt.
Als ein um so dringenderes Gebot der Dankbarkeit müssen
wir es betrachten, unseren Volksgenossen das Bild der beiden
harmonisch abgeklärten Naturen vor die Seele zu stellen. Sie
haben Großes geleistet. Zielsicherer Wille erschloß zahlreichen
Intelligenzen, erfinderischen Hirnen und fleißigen Händen ein
unermeßliches Arbeitsfeld, hingebende Opferfreude ermöglichte
die Lösung heiß umkämpf ter Probleme, und schließlich gelang
der entscheidende Wurf: Das mechanische Musikinstrument
empfing die tönende Seele, den Prometheusfunken! Der schöpfe
rische Geist, gestützt auf das Büstzeug der technischen Er
fahrung, bändigt die Naturkraft, er triumphiert über die seelen
lose Mechanik, besiegt die Materie! Die innersten Erschließungen
der Künstler werden Gemeingut, Millionen von Herzen emp
findsamer Hörer finden Erhebung. Wahrlich, eine stolze Tat,
ein Geschenk an die Menschheit!
Gewiß durfte auch ein gesunder kaufmännischer Sinn
nicht fehlen, doch er steht im Dienste der beglückenden Idee,
und der reine Nutzzweck wird geadelt durch Schönheitsoffen
barung in Tönen und Formen, die den Hupfeld’schen Erzeug
nissen eigen ist. Auf dem Grunde solcher Gedanken darf
man den ragenden Turm, der das monumentale Fabrikgebäude
der Firma überragt, als ein Symbol betrachten. In Flammen
schrift leuchtet der Name „Hupfeid“ von der majestätischen
Kuppel. Gegenwärtig, da in allen Erdteilen, ja selbst auf den
Ozeanschiffen, Hupfeld’sche Instrumente singen und klingen,
gegenwärtig mögen sie zu ihrem Teile mit den Stimmen
musischer Genien Aposteldienste vollbringen zur Förderung des
künftigen Völkerfriedens.
Ludwig Hupfeid wurde geboren am 26. November 1864
zu Maberzell bei Fulda als Sohn eines Rittergutsbesitzers, der
zugleich Staatsdomänenpächter war; die Mutter entstammte
einer angesehenen Juristenfamilie Fuldas. Sein regsamer Geist,
geschliffen in sorgfältiger Erziehung im Elternhause und im
Kgl. Gymnasium zu Fulda, wählte den kaufmännischen Tätig
keitsbereich und bereitete sich dazu in dreijähriger Lehrzeit
zu Köln a. Rh. vor. Aber auch der Musik brachte er tief
gründige Neigung entgegen. Mit hellen Blicken schaute sich
der aufmerksame Jünger Merkurs in der Welt um und zog
aus den vielen Eindrücken, die der Beruf gab, charakterbildenden
Gewinn. Schon damals machte er sich Besonnenheit zum
Gesetz, jene Besonnenheit, die, allen Phantastereien ausweichend,
das Lebensgebäude nur auf solidem Fundamente errichtet. Mit
bestimmenden Einfluß übte die Militärzeit aus, in der Ludwig
Hupfeid den Rang eines Oberleutnants d. R. erreichte. Er
stand an der Schwelle des Mannesalters, als er am 1. Juli
1892 die Musikinstrumentenhandlung von J. M. Grob & Co.
in Eutritzsch erwarb und ihr seinen Namen gab. Die starke
Sympathie, die nahestehende kunstliebende Kreise äußerten,
ermunterte zur Herstellung eines Klavierspielapparates, dessen
Mechanismus freilich noch jede Tonschattierung und jeden
seelischen Reflex ausschloß.
Ludwig Hupfeid erkannte die Entwicklungsmöglichkeit
der Erfindung bereits aus dem ersten selbstspielenden Piano,
das 1889 die Aufmerksamkeit weiterer Kreise erregte, und er
täuschte sich nicht, denn drei Jahre später entstand in logischer
Fortbildung des bisher Erreichten das erste elektrische
Klavier, das bereits Unterschiede in den Tonstärkegraden
erzielte. Das elektrische Klavier bedeutete den ersten ent
scheidenden Wurf der Firma Ludwig Ilupfeld. Diese Erfindung
ist die Wurzel der übrigen, die den Weltruf des Hauses be
gründeten. Beraten von ausgezeichneten Fachleuten, die der
strebsame Fabrikherr an sein Unternehmen zu fesseln wußte,
erlauschte er die Bedürfnisse seiner Zeit. Er wandte sich als
erster in Leipzig dem Bau von Orchestrions zu.
Von Anfang an stand dem weitblickenden Unternehmer
der hervorragend begabte Otto Tetzner mit großer Hingabe
zur Seite. Otto Tetzner, geboren am 20. März 1869 zu
Staßfurt als Sohn einer in Quedlinburg seßhaft gewesenen
Kaufmannsfamilie. Er besuchte die bekannte Amthor’sche
Handelsschule zu Gera (Reuß) und vollendete seine kaufmän
nische Ausbildung theoretisch und praktisch während eines
mehrjährigen Aufenthaltes in Amerika. Als er wohlausgerüstet