Full text: Sophie, die Kinderfreundin, oder die ersten Blicke des Kindes in sich und von da in die Welt

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ein seidenes Kleidchen zur Messe. So sprachen wir 
Manches hin und her, dankten Gott, daß er uns 
so liebe Eltern gegeben habe und baten ihn, sie uns 
doch recht lange zu erhalten. Darauf beschlossen 
wir, Dich, liebe Mutter, zu bitten, uns keine 
seidene Kleider zu kaufen, sondern drei leinene, 
das dritte sollte dann Luischen haben. Mit zärt- 
licher Elternfreude hörten Vater und Mutter Ama- 
lien zu; dann sprach der Vater: Ich lobe Euch, 
meine Kinder; aber Lottchcn hat dennoch gefehlt. — 
Warum entfaltete sie nicht vor der treuen Mutter 
das stolze Herz, dessen edle Absicht wohl vor Got- 
tes allwissendem Auge frei und offen liegt, aber vor 
den Eltern, die nicht allwissend sind, darf das 
Kind nie Geheimnisse haben. Wenn es ihr auch 
scheinen mag, als sei das Schweigen in diesem Falle 
Bescheidenheit, so erkenne ich, der ich das Men- 
schenherz oft zu prüfen Gelegenheit hatte, nichts 
als die schwache Selbstsucht darin, die von An- 
dern ein eben so unbeschränktes Vertrauen fordert, 
als sie in ihrem Selbstgefallen zu verdienen wähnt. 
Vertrauen läßt sich nie selbst bei der edelsten Absicht
	        
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