Full text: Das jüngste Gericht

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hat. Das Ganswindt’sche Einrad ist ein sehr einfaches, sinniges und gefahr 
loses Fahrzeug, das vielleicht noch eine grosse Zukunft hat u. s. w.“ 
Der Reichsbote vom 2. October 1898: „Eine Probefahrt von Berlin nach 
Potsdam und zurück ist gestern mit der Ganswindt’schen Tretmotor-Droschke 
gemacht worden. Die beiden Fahrgäste hatten mit Ueberziehern, Decken, 
Schirmen u. s. w. ein Gewicht von rund 3Ü0 Pfund. Die Fahrt begann um 
9 Uhr 40 Minuten bei dem nach Südende zu weit abgelegenen Etablissement 
des Erfinders, ging zunächst eine Strecke über Landweg und dann auf der 
vom Regen aufgeweichten, lange und starke Steigungen aufweisenden Chaussee 
über Schöneberg, Friedenau, Steglitz, Lichterfelde, Zehlendorf, Schlachtensee, 
Wannsee und Gliniecke bis zum „Hotel zum Fürsten Blücher“ in Potsdam, 
wo der Wagen um 12 Uhr, also nach rund 2'/ 4 Stunden, anlangte, ohne auch 
nur ein einziges Mal angehalten zu haben. Die Rückfahrt wurde um 4 Uhr 
Nachmittags angetreten und um 7 1 j 2 Uhr in Ganswindts Etablissement be 
endet, nachdem man des starken Regens wegen in Zehlendorf eine Stunde 
eingekehrt war. Der Fahrer erklärte nach der Leistung, er sei noch nicht 
so müde, als wenn er die Strecke — hin und zurück acht Meilen, so weit wie 
von Berlin nach Brandenburg a. H. — spazieren gegangen wäre. Der Erfinder 
erklärte auf Befragen, dass die Arbeit des Tretenden sich auch jetzt noch 
durch einige bereits erfundene Verbesserungen, z. B. die Drahtachsenlager, 
fast auf die Hälfte vermindern lasse.“ 
Der Herausgeber der ethischen Zeitschrift „Der Volkserzieher“ wurde durch die 
am Anfang dieses Buches abgedruckten, in seinem Blatte veröffentlichten 
Aufsätze angeregt, seine Leser in corpore zu einer Besichtigung der „Aus 
stellung Ganswindt“ einzuladen, und brachte über diese Besichtigung unter 
dem 4. Juni 1899 folgenden Bericht in seiner Zeitung: „Es war ein wunder 
hübscher, sonniger und etwas windiger Sonntagvormittag, als wir uns 
draussen in Schöneberg am Mariendorfer Wege bei Ganswindt trafen. Da 
war auch nicht Einer, der nicht aufs höchste gespannt gewesen wäre auf die 
Dinge, die uns der berühmte und doch auch wieder so hart angegriffene Er 
finder vorführen würde. Und unsere Erwartungen sollten nicht getäuscht 
werden u. s. w. Als wir von dieser Stätte menschlichen Genies und Fleisses 
schieden, da zweifelte wohl Keiner von uns daran, dass hier schon manches 
Räthsel der Zukunft gelöst sei. Und niemals ist wohl bei vielen Menschen 
gleichzeitig mit solcher Uebereinstimmung der Wunsch lebendig geworden, 
dass das Alles doch recht bald der Gesammtheit zu Nutze kommen möchte.“ 
Selbstverständlich fehlte es auch nicht an gehässigen Angriffen, nament 
lich von Seiten solcher Zeitungen, welche der Erfinder mit Inseraten über 
gangen hatte. 
Der Reichsbote vom 20. Januar 1897 schreibt z. B.: „Hermann Gansvdndt, 
der sich durch seine Erfindungen auf dem Gebiete der Mechanik, z. B. die 
des Tretmotors und anderer auf diesem System beruhender Bewegungsmittel, 
einen Namen gemacht hat, hatte dieser Tage die Genugthuung, dass ein grober 
Angriff des „Kleinen Journal“ auf seine Erfinderehre an dem Beleidiger von 
dem Gerichte durch eine Geldstrafe, der eine Gefängnissstrafe substituirt ist, 
geahndet wmrde. Seiner Klage lag folgender Thatbestand zu Grunde. Als 
Herr Ganswdndt, über dessen Erfindungen die meisten Blätter, und auch wir, 
öfter berichtet haben, im Sommer 1895 zum ersten Male mit denselben in die 
Oeffentlichkeit trat und u. a. mit seinem Tretmotorw^agen in den Strassen 
Berlins Probefahrten veranstaltete, brachte das „Kl. Jour.“ höchst gehässige 
Beurtheilungen über Herrn G. und seine Erfindung, nachdem derselbe einem 
Vertreter des Blattes die Aufgabe von Inseraten verweigert hatte. Im be 
tonten Gegensatz zu den Ganswindt’schen Unternehmungen wurde bald darauf 
ein anderes Unternehmen, nämlich eine neue Aktien - Gesellschaft für Akku 
mulatoren-Fabrikation, herausgestrichen. Der Artikel begann: „Eine hervor 
ragende Erfindung. Wenn man in seinem journalistischen Berufe zuweilen 
gezwmngen ist, sich mit Charlatanen ä la Ganswindt zu beschäftigen, so be 
reitet es andererseits eine um so grössere Genugthuung, einer wirklich vierth- 
vollen Erfindung die Wege zu ebnen. Wir hatten Gelegenheit, einer Ein 
ladung der .... Aktien-Gesellschaft Folge zu leisten, um einen genauen 
Einblick in die Einzelheiten der Erfindung zu erhalten, w r elche zur Begründung
	        
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