Full text: Das jüngste Gericht

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•des „Figaro“ (5. Sept. 1884). Man vergleiche nun hiermit die Ganswindt’sche 
Patentschrift welche diese vom „Figaro“ erwähnte Lehre schon 1883 nach Paris 
getragen hat und deren erster Satz folgendermassen lautet: 
„Die Construction dieses lenkbaren Luftschiffes gründet sich darauf, dass 
hei dem grösseren von zwei ähnlichen Ballons das Verhältniss der Tragkraft zum 
Querschnitt, also auch nahezu das Verhältniss der transportablen Maschinenlast 
zum Widerstand der Luft sich um das Vielfache, um welches er den kleineren an 
Durchmesser übertrifft, günstiger gestaltet, so dass einem ausserordentlich grossen 
Ballon durch Maschinenkraft eine Eigengeschwindigkeit gegeben werden kann, 
welche grösser als die starker Luftströmungen ist.“ Also dieser Ganswindt’sche 
Satz war es, der die Lehre der französischen Lehrbücher umstiess, während hier 
in seinem Vaterland die Prüfung seiner Broschüre, vom 16. Juli 1884 datirt, von 
allen Behörden abgelehnt wurde, bis seine Kaiserliche und Königliche Hoheit 
der Kronprinz dem Kriegsministerium Prüfung der Broschüre anbefahl, wie auch 
die Schlussanmerkung der eben verlesenen Zeitung erwähnt. Obgleich diese 
Prüfung nichts Stichhaltigeres gegen Ganswindt's Projekt, als Schwierigkeiten 
und Kosten ergab, wurde die Ausführung dieser Erfindung abgelehnt; während 
Frankreich nach Kenntnissnahme auch dieser Ganswind’schen Schrift alsbald 
Millionen für Luftschifffahrt bewilligte. Es ist ja eine bekannte Thatsache: Der 
Prophet gilt nicht in seinem Vaterland. 
Wenn nun auch das französische Ballondetachement nach der Anregung 
durch die Ganswindt’schen Schriften bei seinen Versuchen zum Theil eigene 
Wege wandelt, und der Erfolg daher vielleicht nicht in dem Masse gesichert 
erscheint, als wenn der Erfinder selbst seine Erfindung ausführt, so ist die Specu- 
lation auf das Misslingen der Versuche unserer findigen Nachbarn doch mindestens 
eine trügerische, u. s. w. 
Es wird jedoch noch der Erfinder, Herr Ganswindt seit st, uns in einem 
Vortrag seine Erfindung erläutern, ich ertheile demselben hiermit das Wort: 
Vortrag des Erfinders 
über seine 
Erfindung des lenkbaren Ballons, 
gekürzt und verbessert. 
Archimedes lief einst, wie berichtet wird, vor Begeisterung der Wirklich 
keit entrückt, durch die Strassen von Syrakus und rief den Leuten in unbändiger 
Freude zu: „Ich hab’s gefunden!“ „Ich hab’s gefunden!“ — 
„Was hatte er denn gefunden, das diesen ernsten Forscher in solche Be 
geisterung versetzte? — Einen einfachen physikalischen Satz, den man noch heute 
nach ihm das archimedische Princip nennt. Es ist dieses das hydrostatische Ge 
setz, welches das Schwimmen der Körper im Wasser bestimmt; also ganz analog 
dom aerostatischen Gesetz, welches das Schwimmen der Körper, in diesem Falle 
der Ballons, in der Luft bestimmt! 
Wir nun, die wir die glänzendste Nutzanwendung des archimedischen 
Prinzips, nämlich die Luftschifffahrt, das Ideal aller Völker und aller Zeiten er 
streben, haben also noch mehr Veranlassung, als Archimedes, uns mit Begeisterung 
diesem Problem hinzugeben, dessen Lösung ich gefunden habe, und in alle Welt 
auszurufen: „Ich hab's gefunden!“ 
Mein Vortrag kann nicht den Zweck haben, die Construction meines lenk 
baren Luftschiffes erschöpfend und überzeugend darzulegen; ich stelle ganz andere 
Anforderungen an den Begriff Ueberzeugung; diese kann nur durch ein er 
schöpfendes Studium entstehen, im Gegensatz zum Anhören eines Vortrages. — 
Vielmehr nur meine Erfindung anschaulich zu machen, kann der Zweck dieses 
Vortrages sein. 
Was ist eine Erfindung?
	        
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