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das patentirte Versteifungssystem mittelst flacher Metallbänder geschützt, da
ohne das letztere auch ein Ballon nicht lenkbar gemacht werden kann.
Das Nähere über diese Erfindung ist aus den beiden Vorträgen er
sichtlich, welche vom Vorsitzenden und vom Erfinder in der constituirenden
Versammlung des „Patriotischen Vereins für Luftschifffahrt“ gehalten
worden sind.
Der Vorsitzende des „Patriotischen Vereins für Luftschifffahrt“,
Oberlehrer der Mathematik und Physik und Ingenieur
Otto Press,
hielt an die constituirende Versammlung des genannten Vereins eine längere,
später gedruckte Ansprache, welcher hier nur folgende Abschnitte entnommen
werden:
Geehrte Anwesende, uns konnte nur ein zielbewusster Plan hier
her führen; nämlich durch unsere Thätigkeit etwas Positives auf dem Gebiete
der Luftschilffahrt zu schallen und zwar dadurch, dass wir einem Luftschilfprojekt,
welches nach unserer Ueberzeugung bei correcter Ausführung das Problem der
Lenkbarkeit löst, mit Hülfe eines Vereine zur Ausführung verhelfen. Ein solches
Projekt liegt uns vor; es ist das bekannte Projekt von Hermann Ganswindt, über
welches die meisten von Ihnen wohl schon aus den Zeitungen und durch die
Schriften des Erfinders unterrichtet sind, — das nöthige Geld fehlt nur, um die
Luftschillfahrt nach unserer Ueberzeugung in s Leben rufen zu können. Dieses
Geld hollen wir jedoch durch die Beiträge eines Vereins, welcher sich über ganz
Deutschland erstrecken und „Patriotischer Verein für Luftschilffahrt“ heissen soll,
aufzubringen; denn wir wollen nicht, wie andere Luftschilffahrtsvereine, uns nur
an den Fortschritten unserer findigen Nachbarn durch referiren ihrer opferfreudigen
Thätigkeit auf dem Gebiete der Luftschilffahrt, an nutzlosen Betrachtungen
weiden, sondern w r ir erblicken vielmehr in den französischen Erfolgen auf diesem
Gebiete eine grosse Gefahr für unser Vaterland, der auf das Energischste zu
begegnen, wir uns verpflichtet fühlen, um so mehr, als wir in dem Ganswindt’schen
Projekt die Mittel und Wege dazu besitzen und die französische Regierung durch
dasselbe Projekt ebenfalls die Anregung zu ihren umfassenden Versuchen er
halten hat, w r ie „Die Post“ vom 26. April 1887 ganz richtig bemerkt, u. s. w.
Also schon 1883 erschien sow r ohl in Berlin, wie in Paris die Ganswindt’sche
Patentanmeldung, welche kurz und klar die Lösbarkeit und den Weg zur Lösung
dieses Problems zeigte. Ebenso wie in Berlin das Kriegsministerium sofort Ab
schrift und Kenntniss davon nahm, ebenso war dieses natürlich in Paris der Fall.
In Berlin standen jedoch keine Gelder für Versuche mit lenkbaren Ballons zur
Verfügung; während in Paris schon seit dem Jahre 1878 auf Verwendung Gam-
betta s 200,000 Franks zu Versuchen mit dem lenkbaren Ballon bereitlagen, aber
nicht zur Verwendung kamen, weil kein geeignetes Projekt vorlag, da erschien
die Ganswindt sehe Patentanmeldung, welche die unbedingte Lenkbarkeit des
Ballons zeigte und sofort wurden die bereitliegenden 200,000 Franks zu Versuchen
mit dem lenkbaren Ballon zur Verfügung gestellt, die zu den bekannten Resul
taten vom 9. August 1884 führten, wo der Ballon, in einem Bogen über die
Stadt fahrend, nach ca. 20 Minuten an seinen Abfahrtsort gegen massigen Wind
wieder zurückkehrte. Als Beweis für die Richtigkeit dieser Angaben habe ich
in der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ vom 17. Oktober 1884, welche auszüglich
die Berichte aus dem Pariser „Figaro“ zusammenfasst, folgendes Material zur
Hand, u. s. w.:
„Vor dem 9. August d. J. glaubte fast Niemand in Frankreich an die Lenk
barkeit der Ballone. „Es ist nicht möglich, einen Luftballon zu lenken, da es in
der Luft keinen Stützpunkt giebt.“ Dieses war ein feststehender Satz in allen
Lehrbüchern, welcher von allen Kathedern docirt wurde. Das nunmehr gewon
nene Resultat lautet: „Die Luftschiffe sind lenkbar.“ Die Schnelligkeit der Fort
bewegung vermehrt sich mit seinem Volumen, richtiger gesagt, der Querschnitt
steht zum Volumen in einem um so günstigeren Verhältnisse, je grösser der
Ballon bei sonst analoger Form ist; nach diesem Princip kann man Luftschiffe
herstellen. Die praktische Lösung der Luftschifffahrt ist nur eine Frage des
Kapitals. „Daher haben jetzt die HH. Kapitalisten das Wort.“ So w r eit der Artikel