Deutsche Landwirtschafts=Gesellschaft.
Tageblatt
der
Fünfundzwanzigsten Wander-Ausstellung
in Cassel vom 22. bis 27. Juni 1911.
—- Nachdruck gestattet und erwünscht. — ——
Stück \. Cassel, 15. April 1911. 1911
Das Tageblatt erscheint alljährlich gelegentlich der Wander-Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und zwar 9mal (April, Mai, Juni
und während der sechs Ausstellungstage). — Insertionspreis pro 4gespaltene Petitzeile 0,50 M.
Alleinige Inseratenannahme Haasenstein & Vogler A. G., Berlin W. 8 und Filialen.
WILHELMUS I.
EL. GONDIDIT,
so steht in goldenen
Buchstaben auf dem
von jonischen Säulen
getragenen Fries
über dem Westportal
des Schlosses zu Wil-
helmshöhe.
„Erbaut von Kur-
fürst Wilhelm dem
Ersten."
Die Erbauung die
ses Schlosses begann
im Jahre 1786 und
währte bis 1798, ja
erst im Jahre 1801
war die wohnliche
Einrichtung des ge
waltigen Gebäudes
vollendet.
Man könnte die
Inschrift: „Wilhel-
mus I. El. condb
dit" sehr wohl auch
auf die Parkanlagen
beziehen, denn unter jenes Fürsten schöpferischer Tätigkeit
und dank dessen feinem Verständnis für die Natur erfuhr die
Wilhelmshöhe diejenige Gestaltung, welche heute jeden Be-
sucher begeistert und entzückt, wenn er kaum den Park be
treten hat. Wir können also sagen, daß der Gründer den
Charakter der heutigen Parkanlagen zu Wilhelmshöhe unge
fähr vor 120 Jahren gelegt wurde. Allerdings finden wir
in diesem 250 Hektar umfassenden Parke Zeugen längst ver
gangener' Zeiten, deren älteste uns bis ins Jahr 1143 zu
rückversetzen.
Wenn wir den Straßenbahnwagen, welcher uns in
24 Minuten vom Bahnhof in Cassel zum unteren Teile des
Parkes bringt, verlassen haben, atmen wir mit Wonne die
kräftige, balsamische Luft, welche uns vom Habichtswaldr
entgegenströmt, und im Schatten üppiger Eichen und Buchen
wandern wir auf
merklich ansteigenden
Wegen den Berg
empor. Der für
deutsche Verhältnisse
riesige Baumwuchs
beansprucht sogleich
unsere Aufmerksam
keit; solche Tannen
und Lärchen sieht
man selten. Auf einer
Wiese zur Rechten er
blicken wir eine
Gruppe hervorragend
schöner amerikanischer
Lebensbäume, Thuja
Lobbi, und eine sel
tene Kiefernart mit
langen Nadeln,
Pinus ponderosa.
Weiter schreitend, er
reichen wir das Kai
serliche Postamt, dann
das Wachtgebäude
und gleich danach
das Grand Hotel,
welches mit seinen freundlichen Anlagen und sauber gedeckten
Tischen zum Rasten verlockt. Neben dem Hotel betreten wir
einen größeren Platz, an welchem das Marstall-Gebäude und
daran anschließend das Hofgärtner-Haus stehen. Das letztere
ist eines der schmucksten Gebäude aus der Zeit Friedrichs II.,
und interessant ist, daß dieses Haus im Jahre 1824 um ein
beträchtliches zurückgeschoben wurde, um es mit dem Mar
stall in eine Flucht zu stellen.
Gegenüber von dem Portal des Marstalls sehen wir
den Löwenbrunnen; man kann ihn als ein Kleinod be
zeichnen; seine einfachen Formen mit der schlichten weißen
Marmorvase und den plätschernden Wasserstrahlen wäre an
sich schon etwas Köstliches — aber in Verbindung mit den
zierlichen, im Winde sanft schwingenden, goldigen Zweigen
der Hängeweiden (Salix elegantissima) mutet einen dies
Wilhelmshöhe. * Der Park und seine Pflanzen.
Von Königl. Hofgärtner Virch ow-Wilhelmshöhe.
Das Orangerie-Schloß in der Carlsaue.
Wird während der Landwirtschafts-Ausstellung als Haupt-Restaurant eingerichtet.