Full text: Tageblatt der landwirtschaftlichen Wanderausstellung in Cassel 22.-27. Juni 1911 (25, Stück 1.1911)

11 
gehören. Auch kleine Ermunterungspreise sind ausgesetzt. Auch 
für diese Gruppe liegen einige Anmeldungen vor. So macht z. B. 
ein Landwirt aus alten Mähmaschinenmessern Hacken. Ferner fin 
den wir hier auch einen Schweinetransportkäfig, der gleichzeitig für 
das Wiegen eingerichtet ist, weiter Bullenketten u. a. 
Einer der Glanzpunkte der Ausstellung ist die große Halle für 
landwirtschaftliche Erzeugnisse, in der in ihrem langen Mittelschiff 
und breiten Seitenhalle alle Produkte des landwirtschaftlichen Be 
triebes in einfacher und veredelter Form zu finden sind. Kalei 
doskopartig wechseln die Bilder von Stand zu Stand, und der Gang 
durch diese Erzeugnishalle ist ein kurzer, aber vollständiger Abriß 
der deutschen landwirtschaftlichen Produktion und der mit ihr in 
Verbindung stehenden Veredlungsindustrie. Wenn auch die Gänge 
noch so breit sind, in den Hauptständen drängt sich hier der Ver 
kehr der Beschauer in fast beängstigender Weise, und man tut gut, 
die Morgen- oder Mittagsstunden zu einem Besuch der Erzeug 
nisabteilung zu benutzen, wenn man mit Muße alle diese tausende 
und abertausende von Gegenständen besichtigen und von dem Be 
such der Erzeugnishalle einen nachhaltigen Nutzen haben will. 
Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft selber, die ja mit 
der Casseler Ausstellung ihr 25jähriges Jubiläum feiert, führt in 
einem großen Anbau an die Erzeugnishalle alle ihre Tätigkeits 
gebiete in Schrift und Bild, in Modellen, in Ausschnitten und in 
Produkten vor. 
Ein besonderer Pavillon ist aber ihrer Sonderausstellung für 
Landarbeit gewidmet, die ja schon auf früheren Ausstellungen so 
vielen Beifall gefunden und zweifellos dazu beigetragen hat, auch in 
die mittleren und kleineren Bauernwirtschaften mehr Verständnis 
für die Aufgaben einer guten Betriebsdisposition hineinzutra 
gen. Was diese Ausstellung bringen wird, findet der Leser 
weiter unten in einem besonderen Artikel. 
Im Anschluß an diesen Pavillon finden wir den Dorf- und 
Spielplatz, der ein buntes und bewegtes Bild des lebensfrohen 
Treibens des Dorfes geben soll. 
Aber über all dies soll in einer der nächsten Nummern aus 
führlicher berichtet werden. 
Für heute nur noch wenige Blicke in die Erzeugnishalle selber. 
In der Samenausstellung werden wieder, wie seit langen 
Jahren, die seit 1896 vereinigten Saatgutzüchter, die Jahr für 
Jahr gemeinsam auftreten, ausstellen, neun an der Zahl. Ihre 
Ausstellung ist immer ein Glanzpunkt der Erzeugnisabteilung und 
fesselt wohl jeden landwirtschaftlichen Besucher. 
Auch die Gesellschaft zur Förderung deutscher Pflanzenzucht, 
die erst seit einigen Jahren besteht, vereint neun Aussteller unter 
ihrer Führung. 
Außerdem stellen der Nassauische Saatbauverein, der Schles 
wig-Holsteinische Saatbauverein und andere Vereine, sowie die 
Provinzialsächsische Genossenschaft, Halle, diese mit 25 Einzelaus 
stellern, aus. 
Seit langen Jahren findet in Berlin im Oktober die Gersten- 
und Hopfenausstellung statt. Die besten dieser Gersten und 
Hopfen werden dann jährlich auf der Deutschen Landwirtschafts- 
Gesellschafts-Ausstellung nochmals vorgeführt. Diesmal sind es 
108 Gersten- und 68 Hopfenproben. 
754 Butteranmeldungen und eine große Zahl von Käseanmel 
dungen versprechen reich besetzte Hallen, und auch der Preisbewerb 
in frischer Trinkmilch, der schon in den letzten-Jahren so viel An 
klang gefunden hat, wird mit seinen 17 Beschickungsproben den 
Landwirten eindringlich wieder vor Augen führen, was durch eine 
sorgfältige Behandlung der Trinkmilch zu erreichen ist. 
Auch die Molkereikosthalle, deren Organisation durch das 
Fehlen des Milchviehes gefährdet erschien, wird voraussichtlich doch 
zu Stande kommen. 
Honig und Wachs sind ebenfalls reichlich angemeldet, und auch 
bienenwirtschaftliche Geräte werden nicht fehlen, über die lebenden 
Bienen kann noch nichts gesagt werden, da sie noch bis zum 31. 4. 
angemeldet werden können. 
Die Dauerwaren (Konserven, Präserven) haben wieder ihre 
gewöhnliche Reise nach Australien während des Herbstes und Win 
ters gemacht und treffen demnächst in Bremen ein, um hier ge 
prüft und dann auf die Ausstellung gebracht zu werden. Die Be 
schickung ist hier eine durchschnittliche und nicht gerade groß zu 
nennen. 
Die großen Dünger firmen werden wieder wie jedes Jahr 
ihre Stände zu Hauptanziehungspunkten der Ausstellung zu 
machen bestrebt sein. So wird das Kalisyndikat, dessen Darstellung 
seit Jahren einer der Glanzpunkte der Schau in bezug auf die 
Ornamentik der Ausstellungshallen bildet, diesmal einen hessischen 
Bauernhof wählen, in dessen Rahmen, im Gebäude und auf dem 
Bauernhose, Düngungsversuche, Ausschnitte, Topfversuche, Abbil 
dungen usw. in reicher Zahl zur Ausstellung kommen. In ähn 
licher Weise, wenn auch nicht so ausgedehnt und hervorstechend, be 
teiligen sich der Verein der Thomasphosphatfabriken mit Aus 
stichen, die Delegation der Salpeterproduzenten, die Deutsche 
Ammoniakverkaufsvereinigung, welch' letztere ebenso wie das Kali- 
syndikat ein eigenes Versuchsfeld eingerichtet hat. Das Versuchs 
feld des Kalisyndikates ist schon jetzt auf dem Forst angelegt. 
Neben dem Versuchsfeld des Syndikates hat der hessische Obstbau 
verein Obstbaumanlagen eingerichtet. Außerdem sind drei Kalk- 
und Mergelsammlungen, eine verhältnismäßig hohe Anzahl, ange 
meldet, von denen zwei, von landwirtschaftlichen Vereinen ausge 
stellt, zum Preisbewerb stehen. 
Aber nicht nur Erzeugnisse des landwirtschaftlichen Fleißes fin 
den wir hier, sondern in großem Umfange auch wissenschaftliches 
und statistisches Material. Zwar ist die „Papierausstellung" bei 
uns Landwirten nicht sehr beliebt, aber auf den Schauen der Deut 
schen Landwirtschafts-Gesellschaft ist doch versucht, auch dies unge 
heure Material von Karten, statistischen Darstellungen, farbigen 
und schwarzen Tafeln usw., usw. in eine Form zu bringen, daß 
auch dem flüchtigen Beschauer klar wird, was hier gezeigt werden 
soll und inwieweit sein eigener Betrieb in Verbindung steht zur 
großen Allgemeinheit der deutschen Landwirtschaft. Außer den Kar 
ten und Tafeln gibt es hier auch noch wissenschaftliche Präparate, 
Apparate in großen Mengen, Modelle von Anlagen, Gebäuden usw., 
usw., und Projekte zu sehen; alles dies breitet sich hier in ununter 
brochener Reihenfolge, in wechselvollem Bilde aus. 
Einzelne besonders große Zweige der landwirtschaftlichen Er 
zeugnisse haben ihre eigenen Hallen, so natürlich in erster Linie 
die milchwirtschaftlichen Produkte, Butter und Käse, in Verbindung 
mit der Milchkosthalle, sowie die Traubenweine, die Obst- und 
Schaumweine und die alkoholfreien Getränke. 
Eine eigene große Halle ist auch diesmal wieder den deutschen 
Kolonien gewidmet, und die Abteilung Cassel der Deutschen 
Kolonial-Gesellschaft hat sich die größte Mühe gegeben, hier einen 
überblick darüber zu geben, was Deutschland in der landwirtschaft 
lichen Entwicklung seiner Kolonien geleistet hat und welche großen 
Zukunftsmöglichkeiten hier noch bestehen. 
Neben den erwähnten Obstbaumanlagen auf dem Ausstellungs 
platze ist auch schon ein Bogelschutzgehölz eingerichtet. Die Ab 
teilung Vogelschutz des hessischen Tierschutzvereins, unter Leitung 
ihres rührigen Vorsitzenden Major und Stadtrat H e n r i c i, hat 
es sich nicht nehmen lassen, den hessischen Landwirten hier ihre Be 
strebungen in eindringlichster Weise nahe legen zu wollen und auch 
den landwirtschaftlichen Nutzen des Vogelschutzes möglichst eindring 
lich darzustellen. * ^ * 
Die Landarbeilsausstellung. Die Landarbeits-Ausstellung der 
Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft wird in diesem Jahre zum 
ersten Mal in einem gesonderten Bau mit ländlicher Fassade unter 
gebracht werden und wieder, wie vor 2 Jahren in Leipzig, das ge 
samte Gebiet der Landarbeit umfassen. Sie wird zunächst in bild 
lichen Darstellungen aus dem Gebiet der Statistik die Bedeutung 
der Landarbeiterfrage recht eindringlich zur Anschauung bringen und 
an vergleichenden Darstellungen der Militärdiensttauglichkeit in 
Stadt und Land den großen Wert der Landwirtschaft als „I u n g - 
b r u n n e n" der Volkskraft zeigen. Darstellungen der Jntensi- 
tätssteigerung innerhalb der deutschen Landwirtschaft führen zu 
der Frage, wie der stetig ansteigende Handarbeitsbedarf gedeckt wer 
den kann. Fesselnde Karten zeigen zunächst die Abwanderun 
gen vom Lande, andere geben einen überblick über die Zahl
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.