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mit Liebe am Messias und der Matthäuspassion, an Wagner und
Brahms, Beethoven und Bruckner. Das engt naturgemäß den Horizont
des ganzen Konzertlebens ein, trotzdem Kassel in Robert Laugs einen
temperamentvollen ungestümen und impulsiven Feuerkopf und Gefühls-
musiker besitzt, der gern alle Energien zusammenreißen und vorwärts
stoßen möchte zu willenskräftigem Auftrieb, und mit und neben ihm
so manche tüchtigen großen und kleinen Talente aller möglichen musi-
kalischen Schattierungen, vom jüngsten Pianistenanfänger bis zum ehr-
würdigen Konservatoriumsdirektor, unermüdlich wirken.
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Das äußere Bild ist trotzdem immer noch reich und bunt genug für
eine Provinzstadt, die Kassel nun einmal ist, wenn es auch ehemals
kurfürstlicher Musensitz und kaiserliche sommerliche Nebenresidenz war.
Im Spielplan des Staatstheaters nimmt die Oper einen sehr breiten
Raum ein und erfreut sich noch immer der ungeschwächten Gunst der
Kasselaner, während die Stammkonzerte der Staatlichen Kapelle etwas
von ihrem Nimbus eingebüßt haben, seit sie aus dem Theater, wo sie
seit Spohrs Tagen über ein Jahrhundert lang erklungen waren, in die
weiträumige Stadthalle übersiedeln mußten. Die von der Intendantur
durchgesetzte teilweise Rückverlegung ins Theater hat leider bis heute
keine günstigen Resultate erzielt. Die treffliche Kapelle hat in den
mühvollen Tagen des letzten Tonkünstlerfestes vor der gesamten deut-
schen Presse in Ehren bestanden.
Für Kammermusik und Solistenkonzerte sorgten die verschiedenen
Konzertagenturen: Freyschmidt, Kramer-Bangert, Scharwenka, Simon,
die sich jüngst zu einem einzigen Unternehmen unter der Führung des
Klavierfabrikanten Carl Scheel zusammengeschlossen haben. Daneben
besteht dann noch gesondert als allerjüngste Gründung die Konzert-
direktion von Reinhold, die verschiedenartigsten Künstler und Virtuosen,
männliche und weibliche werden so nach Kassel gelockt. Aber nicht nur
von auswärts brauchen die musikalischen Wundertäter zu kommen,
auch die Propheten im eigenen Lande gelten etwas: so das im Vorjahre
neu gegründete Kasseler Streichquartett (Kromer, Onken, Riege, Bender),
das Zulauf-Trio oder einheimische Pianisten wie Dr. Ernst Zulauf und
Ludwig Kaiser. Verdienstvoll sind die Veranstaltungen der Musikgruppe
der Kasseler Gesang- und Klavierlehrerinnen und die Darbietungen der
Ortsgruppe des Reichsverbandes deutscher Tonkünstler und Musiklehrer.
Sorgfältig geleitete Konservatorien (unter Direktor Böhmer und Direktor
Kühling) streben akademisch im guten Sinne nach Organisation und