Full text: Festschrift zum Deutschen Tag in Kassel am 31. Mai bis 1. Juni 1924

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Gegensatz zur Landesbibliothek, die ihren ganzen Betrieb den vor- 
handenen zwar höchst stimmungsvollen, aber ursprünglich doch andern 
Zwecken bestimmten Museumsräumen anpassen mußte, ist hier die 
Inneneinrichtung überall nach modernen bibliothekstechnischen Gesichts- 
punkten ausgeführt. Günstige Katalogverhältnisse (ursprünglich nach 
holländischem Vorbild gedruckte Titelaufnahme, jetzt mit Maschinen- 
schrift vervielfältigt) erleichtern die Benutzung sehr. Ein Lese- und 
Arbeitssaal mit Handbibliothek, Zeitschriftenregalen u. a. ist vorhanden, 
ebenso ein geräumiger Vortragssaal, der ursprünglich als Ausstellungs- 
saal gedacht war, in dem aber jetzt zumeist Kammermusikaufführungen 
stattfinden. Die Öffnungszeiten sind die gleichen wie in der Landes- 
bibliothek. 
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Vom Kasseler Theater / Dr. Gustav Struck. 
Das Kasseler Theater, einst landgräflich, dann kurfürstlich, zwischen- 
durch königlich-westfälisch-französisch als Intermezzo, weiter kaiserlich- 
preußisch-hohenzollerisch und schließlich republikanisch-betriebsrätlich, 
blickt auf eine über dreihundert Jahre alte Vergangenheit zurück, auf 
mannigfachen Wechsel, Höhepunkte und Tiefen, Kraftentfaltung und 
Konzentration, schöpferische Taten und eitles Blendwerk, erreichte und 
getäuschte Hoffnungen. 
Am Anfang steht auch hier der Landgraf Moritz der Gelehrte, der 
glänzende Vertreter hessischen Humanismus und deutscher Renaissance. 
Damals kamen die englischen Wanderkomödianten, die ersten Berufs- 
schauspieler durch Deutschland. Moritz richtete ihnen in Kassel eine Heim- 
stätte ein in dem Ottoneum (nach seinem Sohne Otto benannt), das 
an der Stelle des heutigen Naturalienmuseums stand. Die Engländer 
brachten nicht nur ihre blutigen Haupt- und Staatsaktionen und ihre 
tollen Hanswurstiaden und Pickelheringpossen mit, sondern auch klingende 
Tanzsuiten mit volkstümlichem Gepräge, die für die Entstehung 
der Instrumentalmusik von besonderer Bedeutung sind. Der 30jährige 
Krieg machte der Herrlichkeit schnell ein Ende. Das Ottoneum ward 
zunächst zum Arsenal degradiert und verfiel dann allmählich völlig. 
Im 17. Jahrhundert war man mit der Vergnüglichkeit und den 
Improvisationen von Wandertruppen zufrieden. Erst im 18. Jahr-
	        
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