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Dutzend Bildern, Jordaens damit reicher als irgendwo in der Welt, mit
Ausnahme der Galerien seiner Heimat. Nicht alle Seiten der die ganze
sichtbare Welt umspannenden Genialität des Rubens kann man in Kassel
kennen lernen, aber Mythologie und Allegorie, Porträt und Kirchenbild
werden an ein paar Glanzbeispielen illustriert. Man sieht ihn in seiner
ganzen Macht und Kraft, ein Herrscher im Reich der Kunst, der die For-
men nach seinem Willen meistert, stets gewaltig im Ausdruck, daher
vielen Menschen zu stark; bei alledem doch der vollendete Aristokrat
und selbst zart bei schwierigen mythologischen Stoffen („Jupiter und
Antiope").
Van Dyck erscheint neben ihm weich und von fast femininer Art;
aber die Welt dankt ihm den vollendeten Typus vornehmer Porträt-
auffassung. Selbst die bürgerlichen Kreise werden durch seinen Pinsel
nobililiert; in ihrer schwarzen Tracht, mit den kostbaren Spitzenkragen
bewegen sie sich wie geborene Hofleute. Den Höhepunkt seines Könnens
aber erreicht diese Edelmannsnatur, wo sie Modellen von vornehmer Ab-
kunft gegenübertrat, in Genua: und aus dieser glücklichsten Periode
seines Schaffens besitzt Kassel wenigstens ein vollkommen schönes Werk,
dem — eine interessante Gelegenheit zum Vergleich — ein Antwerpener
Handelsherr (in türkischem Kostüm) breit und massiv in üppiger Körper-
fülle, von Rubens verewigt, gegenübersteht. Beide Meister haben in
dem den zweiten Saal beherrschenden Altarbild sich in vollendetem
Zusammenspiel vereinigt.
Jordaens hat, wie kein anderer Vlame, die urgesunde, derbe Lebens-
lust seines Volkes in dem großen „Bohnenfest" geschildert, seinem glän-
zenden Humor in den Darstellungen des „Satyr beim Bauer" frei die
Zügel schießen lassen und auch in mythologischen Szenen den ganzen
kräftigen Realismus, der seiner Natur innerste Triebfeder war, offen-
bart. In der Geschichte der Malerei aber gebührt ihm auch darum
ein hoher Rang, weil er als einer der ersten seiner Zeit das Problem
der Wiedergabe des Sonnenlichts, mit kräftiger Hand zupackend, zu
lösen versucht hat.
Um diese führenden Meister schart sich eine fast überwältigende
Fülle von Malern, die, im Kleinen groß, weise sich auf eine Spezialität
beschränkend, die gesamte heimatliche Umwelt malerisch auszudeuten
verstanden haben. Die Menschen und ihr Leben und Treiben, im Hause
wie draußen, ihre Erscheinung und ihr Gebaren lebt in künstlerisch
vollendeter Weise in den Bildern eines Terborch und Metsu, die die
höheren Stände bevorzugten, bei Steen, der in seinem „Bohnenfest"