Full text: Abschriften aus Tagebuchnotizen (Typoskript)

1.IV.1906. 
1.IV.-22.IX.06. 
Weshalb man philosophiert? So wie man Musik treibt oder Li= 
teratur oder Kunst, nicht andeis. Auch hier ist es letzten 
Endes das Herausarbeiten der eigenen Persönlichkeit. - Und 
im einzelnen: Nutzen des Dilettantisierens, zeitweilige Mö= 
nomsßie für irgend einen Grossen; Beziehungen zwischen den 
einzelnen Männern erfassen; Eindrucklosigkeit dessen, wozu 
einen das eigene Leben noch nicht "reif" gemachthat; und si= 
eher noch viel mehr • - Jedenfalls aber nicht t wie ich früher 
dachte, als Gewinn, als einziger grosser Gewinn: das Plus 
an grossen Menschen, sondern eben das eigene persönliche 
Wachsen und Krsftigwerden - hier wiedf dort. 
Das "früher", von dem ich eben schrieb, ist wahrhaftig erst 
einen Monat her (1,57) .- Donnerwetter! 
Am Donnerstag und Freitag hörte ich die beiden Horneffer= 
sehen Vorträge. 
Horneffer verneint das jüdische Eidment unsrer Kultur, er 
kennt nur das griechische. 
Was ist griechisch? 
Der Glaube an den Menschen, der "Individualismus".^r 
" * "der Massstab aller Betrachtung". 
Auch die höchste Forderung der Ethik: Gesteigerter Mensch. 
Maaslosigkeit: Uebertreibung des Menschlichen. - Der Mensch 
ist der Anfang; Gott kann das Ziel sein, muss es nicht sein. 
Höchste Leistungen der Kunst aus dem Gefühl des Individuell 
len, des Menschlichen: Götterstatuen, plastische Phantasie. 
^Dies ist alles unbewiesen, nicht bestimmt genug. - Sollte 
am Ende der Gegensatz kein fundamentaler sein?? 
Horneffer sagte: "Der Grieche 
kennt Wissenschaft, voraussetsungsloses Streben nach Erkennt 
nis, der Orientale kennt nur Offenbarung". 
Die Fundamente diesee Gegensatzeswären: 
l # I 
der Grieche geht von sich aus; der Jude von der Gottheit, 
vom Weltganzen. 
Dieser Gegensatz wäre der geahnte. Ich will die beiden Rich=J
	        
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