Full text: Abschriften aus Tagebuchnotizen (Typoskript)

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sein gänzlich, "von aussen" kommendes (-"Binder in der 
Erscheinungswelt"!-) eigenes Bildungsgesetz (^G-esichts= 
punkt für Erscheinungen der Barockkultur -)• -Biese 
Freiheit und Subjektivität des barocken Stils ist nun 
von solcher Art, dass ihr alles was man romantisch , 
69 phantastisch, "künstlerisch" (im Sinne des Bohemiens) 
nennen mag, fehlt - eben weil diese Elemente eine Be= 
Ziehung zur Wirklichkeit bedeuten, welche doch dem Ba= 
rock ganz unbekannt bleibt. So ist auch die echte Jronie 
dem Barock eine fremde Note. Bomantisch, phantastisch, 
künstlerisch konnte die Renaissance werden. Vereint 
sind diese Elemente alle S in Shakespeare, der doch 
schon "Mensch zweier Jahrhunderte" ist. Beim er führt 
seine Menschen als Typen in seine Handlungen (die er - 
charaktaeristerscherweise - Benaissancenovellen entnahm) 
hinein und lässt sie als solche auch weiter darin bis 
zu Ende; gleichzeitig entwickelt er sie aber - neben 
70 der Handlung her - mit intensiver Psychologie zu 
Individien, ohne dass sie doch als solche in die Hand= 
lung kommen + )• Naher sind Shakespeares Handlungen und 
Menschen beide gleich unvergesslich, indem die Kraft 
zweier Stile hier zugleich - wenn auch nicht zusammen - 
wirkt. Würde eines dem andern zu = und untergeordnet 
sein, so wäre es, je nachdem, reiner Barock oder reine 
Renaissance - Moli eres oder Boccaci) . In anderer Weise 
wie Molieres und Shakespeares Werk aber nicht weniger 
wie diese ist die klassische tragedie eine Barockerschei= 
nung. Handlung und Charaktere sind hier gleichmässig 
in dem allherrschenden "grossen Stil" eingeschmolzen. 
Ber Machtbefehl des Barock verkörpert sich hier in 
71 dem, was wir "Pathos" nennen. Handlung und Menschen 
sind nicht ffBthetisch" wie bei Schiller, sie haben 
nicht Pathos, sie sind vielmehr Pathos; Pathos ist ihr 
Seinsgrund, nicht ihr Gewand oder ihre seelische Stim= 
mung -H*). Beim "Zurücktreten" , in der Erinnerung also, 
verschwimmen Personen und Schicksale - es bleibt der 
Eindruck der durch den gemeinsamen Seins=Stil verbunde= 
nen Mannigfaltigkeit, Wir stehen wieder - im Gegensatz 
zu vorhin (Moliei 0 und Shekespeare) - bei jenem Barock, 
+) dies ist der Grund des - also aus der Richtung selbst 
unlösbaren - "Hamletproblems". 
++*) das Verhältnis eines Menschen zu Schiller wird 
sich danach bestimmen, ob er sein Pathos für das eine 
oder das andere zu nehmen geneigt ist.
	        
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