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Diese Madeirenser Gebirgswege sind nämlich an den steil
sten Stellen direkt stufenförmig oder wellenförmig ge
pflastert und sind eigentlich nicht für Pferde be
rechnet, wenigstens nach europäischen Begriffen vom
Reiten nicht die Madeira-Gäule, deren Hufeisen
nicht nur hinten, sondern auch vorn an der Rundung zwei lange,
starke Stollen haben, klettern aber selbst an den steilsten Stellen mit
einer solchen Geschicklichkeit und Sicherheit, die man gesehen haben
muss, um sie überhaupt für möglich zu halten.
Unterhalb der Kirche hörte dann aber der richtig gepflasterte
Weg bald ganz auf und verwandelte sich in einen sehr holprigen, mit
spitzen Steinen besäeten, steilen Ziegenpfad, auf dem hinunterzukommen
für uns mit unseren ungenagelten Schuhen und ohne Bergstöcke ein
sehr schwieriges und zum Teil gefährliches Unternehmen war. Allein
die Aussicht, andernfalls die vielen hundert (etwa 500) Meter des eben
zurückgelegten Weges wieder in die Höhe klettern zu müssen, und der
Umstand, dass wir die portugiesischen Warnungen unseres Arriero nicht
verstanden*, liessen uns immer weiter Vordringen, bis wir endlich unten
im Bachbett waren.
Von hier aus in. die Höhe bekamen wir einen noch viel mehr
imponierenden Anblick von der so fabelhaft steil abstürzenden Ostwand
des Grossen Curral, an dessen einem Teil wir uns soeben herunter
gearbeitet hatten. Vor allem wirkte der Absturz des Pico Sidrao, der
noch verschiedene hundert Meter über die von dem Wege benutzte
Scharte sich erhebt, wahrhaft überwältigend. Dann ging es auf einem
anscheinend etwas besser werdenden Wege, auf dem wir zeitweise
unsere Gäule wieder besteigen konnten, an vereinzelten Gehöften vor
über, allmählich wieder in die Höhe. Bald aber wurde der Weg
schlechter als je und lief so nahe an den senkrechten Abstürzen vorbei,
dass wir wieder von den Pferden hinunter mussten, um uns einzeln in
die Höhe zu arbeiten, während die Mittagssonne unbarmherzig in die
enge Schlucht hineinbrannte.
Halb unsern Eigensinn bereuend, dass wir nicht lieber beizeiten
umgekehrt waren, stiegen wir auf wahrhaft halsbrecherischen Ziegen
wegen weiter, fast immer dicht am Rande fast senkrechter Abstürze;
an den etwas besseren Stellen reitend, grossenteils aber wegen der
offenbar zu grossen Gefahr dieses Fortbewegungsmittels lieber zu Fuss,
immer hoffend, dass der Weg nächstens besser werden würde und
immer wieder nach kurzer Zeit enttäuscht. Der „Weg" ging tatsächlich
nicht im Tale entlang, wie wir vorausgesetzt und gehofft hatten, sondern
in mehr oder weniger steilen Kehren in kleinen Nebenschluchten die
ganze westliche Talwand des Curral — wenigstens 1000 m hoch — in
die Höhe bis zu einer Einsattelung, die in das nächste, zum Curral
parallele Tal hinüberführt. Dass unsere Pferde j diesen Weg nicht nur