Full text: Ein Ausflug nach Madeira

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kann, ohne eine Hand zu rühren — und wie dicht und dick sitzen die 
Trauben an den Weinstöcken auf Madeira! Ich habe in den ersten 
Tagen des August dicht bei Funchal so prächtige, reife Trauben ge 
pflückt, wie ich sie sonst kaum je gegessen habe. 
* * 
•s 
Funchal ist eine Stadt von über 45000 Einwohnern, die ausser 
ihrer herrlichen Lage nichts besonders Bemerkenswertes aufzuweisen 
hat. Es ist ein sauber gehaltener Ort, der sich eines verhältnismässig 
grossen Theaters erfreut, sonst aber keine hervorragende Gebäude zeigt. 
Das Gouvernementsgebäude, gleich am Eingänge der Stadt, ist ein 
grosser, schmuckloser gelber Kasten von erstaunlicher Nüchternheit. 
Die Kirchen sind ebenso weder durch Grösse noch durch Bauart aus 
gezeichnet, und auch unter den Privatgebäuden ist selten eines, dessen 
Anlage und Ausstattung über das Mittelmass hinausginge. Für alle ist 
die Hauptsache und der Hauptschmuck die Gartenanlage. 
Man merkt sofort, dass die Stadt im wesentlichen von Eng 
ländern besucht wird; in allen Geschäften, die überhaupt auf Fremden 
kundschaft rechnen, w’erden allen Waren eo ipso nach Pfund und 
Schillingen berechnet, und der Deutsche, der sich vorsorglich mit portu 
giesischem Geld versehen hat, muss bei jedem Einkauf erst eine lang 
weilige Umrechnung des geforderten englischen Preises in portugiesische 
Münze vornehmen lassen, wobei dann noch immer eine erhebliche 
Abrundung nach oben zu stattfindet. Es gibt auch einige deutsche 
Kaufleute und natürlich auch ein deutsches Restaurant, in dem der 
jüngere Teil der deutschen Kolonie ziemlich regelmässig zu finden ist. 
Die Hotelverhältnisse sind augenblicklich noch ziemlich mässig; 
es sind einige englische Hotels und Pensionen vorhanden, in denen 
man zu einem nicht gerade billigen Preise leben kann, die aber jeden 
falls nicht den Anspruch erheben können, erster Klasse zu sein; ins 
besondere lässt die Küche vieles zu wünschen übrig. Das wird sich 
nun hoffentlich nach der Erteilung der bekannten Hotel- und Sanatorien 
konzession an den Prinzen Friedrich Karl zu Hohenlohe-Öhringen 
sehr bald und sehr gründlich ändern. Nach allem, was man von 
diesem neuen Unternehmen hört, wird dies eine Anlage grössten 
Stiles mit allem nur denkbaren und wünschenswerten Komfort werden, 
bei der auch die verwöhntesten Ansprüche zufriedengestellt werden 
dürften. 
Am schönsten von den jetzt vorhandenen Hotels liegt wohl Reids 
New Hotel nebst der Quinta Victoria, ganz im äussersten Westen der 
Stadt—etwa 25 Minuten vom Hafen entfernt — auf einer hohen Basalt 
klippe dicht am Meeresufer, inmitten eines sehr schön gehaltenen 
Gartens mit tropischer Vegetation. Man hat von diesem Hotel einen 
besonders schönen Blick auf die Stadt und Umgebung, sowie auf den
	        
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