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der großen Angelegenheit der streitigen Religion ohne
vorherige Verhandlungen auf dem Reichstage gewesen
wäre; wie ein plötzlicher Ueberzug, Bekämpfung der
Lehre mit dem Schwerte, ohne alle die großen in der
Mitte liegenden Maaßregeln, ohne vorherige Ermahnung
und Bedrohung, ohne das vom Reich geforderte Conci
lium ganz mit dem bisherigen natürlichen Gange im
Widerspruch ständen; wie außerdem eigennützige Thei
lungsverträge im Voraus gegen alles Fürstenrecht und
Uebung; unv die Bestimmung, daß weder der Kurfürst
von Sachsen, noch jemals seine Nachkommen, in seine
Lande wieder eingesetzt werden solle, ein sehr gewalt-
thätiges Vorgreifen gewesen sei.
Der Landgraf, ohne sich durch diese Unwahrschein
lichkeiten irre machen zu lassen, eilte nach jener Ent
deckung von Dresden nach Weimar. Hier zeigte er dem
Kurfürsten und dessen Sohne die mitgenommene Abschrift
jener Urkunde, und verhieß das Original. Seine Ueber-
redungsgabe, die Größe der Gefahr und die auch dem
Kurfürsten bekannt gewordenen Anzeigen eines feindse
ligen Bundes bestimmten diesen sonst so bedächtigen
Fürsten zu einem augenblicklichen Beschluß. Beide Für
sten sagten darin: „da Gott ihnen das Schwert gegeben,
so erkennten ste sich dermalen um so viel mehr verbun
den, einander zu schützen, da Gott ihnen das Evange
lium gegeben; sie wollten auch eher Leib, Ehre, Würde,
Land und Leute daran setzen, als zugeben, daß durch
bösen Rath der Widersacher dieser Schatz ihnen wieder
entzogen würde." Ein Heer von 20,000 Mann zu Fuß
und 6000 Reitern sollte den stillen, ermüdenden Streit
gegen List und Verschlagenheit in einen offenen Kampf
verwandeln, und den nun entlarvten, unversöhnlichen
Feind durch augenblickliche Besetzung seiner Länder un-